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Zum Glück Pauline - Roman

Zum Glück Pauline - Roman

Titel: Zum Glück Pauline - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C.H.Beck
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Kollegen so vermöbelt hatte.»
    «Wie ging es Ihnen denn?»
    «Ich fühlte mich erleichtert. Wie befreit. Und meine Rückenschmerzen waren weg, für ein paar Minuten zumindest.»
    «Sie haben Rückenschmerzen?»
    «Ja … und da wir schon dabei sind, darüber wollte ich nämlich sprechen mit Ihnen. Glauben Sie, es wäre möglich, sich in einem anderen Rahmen zu treffen?»
    Der Analytiker, durch den überraschenden Gesprächsverlauf leicht verwirrt, gab mir seine Visitenkarte. Wir vereinbarten einen Termin für den nächsten Tag. Meine Art schien ihn zu irritieren, wo ich doch nur aufrichtig und offen war. Da ich schon einmal im Büro war, beschloss ich, bei meinem Chef vorbeizuschauen (Gaillard war mehrere Wochen krankgeschrieben, die Gefahr, ihm über den Weg zu laufen, bestand also nicht). Seine Sekretärin ließ mich anstandslos durch, sie sagte keinen Ton und wirkte etwas erschrocken, als hätte sie es mit einer blutrünstigen Bestie zu tun. Bei meinem Eintreten hob Audibert den Kopf. Ich sagte:
    «Entschuldigen Sie, dass ich störe.»
    «… Aber ich … bitte Sie.»
    «Wenn Sie erlauben, wollte ich noch zwei Dinge sagen.»
    «Ich höre …»
    «Als Erstes wollte ich mich bei Ihnen entschuldigen. Es tut mir leid, dass ich mich in Ihrem Betrieb so aufgeführt habe. Sie wissen gar nicht, wie groß mein Respekt vor Ihnen ist, und ich bereue mein schlechtes Benehmen … aber ich konnte einfach nicht anders.»
    «Und das Zweite?»
    «Vielen Dank dafür, dass Sie die Sache so einfädeln wollen, dass ich doch eine Abfindung bekomme. Ihr Entgegenkommen kann mich unmöglich völlig kalt lassen.»
    «Ich bitte Sie. Wissen Sie, mir geht es prinzipiell schon in erster Linie ums Geld scheffeln, aber mir bleibt auch nicht verborgen, was hier im Betrieb abgeht. Dazu hätten Sie sich niemals hinreißen lassen dürfen. Wir hätten über die Sache reden müssen. Aber nun gut, was geschehen ist, ist geschehen, ich muss Sie entlassen.»
    «Ja, natürlich …»
    «Gestern Abend hat man mir einen anonymen Brief unter der Tür durchgeschoben, in dem es darum ging, was für ein falscher Fuffziger dieser Gaillard ist. Also sozusagen eine Aussage zu Ihren Gunsten. Ich frage Sie mal ganz direkt: Hat er Sie gemobbt?»
    «…»
    «Wollen Sie gar nichts dazu sagen? Wissen Sie, ich kenne Sie schon lange. Ich weiß, Sie sind hundertprozentig gewaltfrei, sogar ein bisschen … na ja … also Sie können schon mit mir reden …»
    «Das ist jetzt schon vorbei. Schicken Sie mir ruhig das Kündigungsschreiben.»
    «Okay …»
    Ich wandte mich der Tür zu, aber dann fiel mir noch etwas ein, und ich ergriff noch einmal das Wort:
    «Dürfte ich Sie noch um eine Kleinigkeit bitten?»
    «Zwei Sachen wollten Sie sagen.»
    «Dann eben noch eine dritte.»
    «Gut, ich höre.»
    «Ich hab zuletzt an so einer Parkplatz-Akte gearbeitet … also im Val-d’Oise soll ein kleiner Parkplatz gebaut werden.»
    «Das sagt mir gar nichts …»
    «Das ist normal, es ist auch noch nichts unterschrieben. Es handelt sich da um ein für uns vollkommen bedeutungsloses Projekt. Aber ich fänd’s schön, wenn Sie sich der Sache annehmen würden. Sie können einfach irgendwen hinschicken, das sind zwei Tage Arbeit. Das wäre meine letzte Bitte.»
    «Na gut … mal sehen … ich glaube, bei Ihnen sind doch ein paar Sicherungen durchgebrannt», entgegnete er lächelnd. Welch seltsames Karriereende. In den zehn Jahren davor hatte ich nie so viel mit ihm geredet. Hätte ein solches Gespräch früher stattgefunden, wäre die Geschichte bestimmt anders ausgegangen, dachte ich mir. Man müsste sein Leben auf den Kopf stellen, um das Gleichgewicht nicht zu verlieren.
    Ein paar Tage nach diesem Gespräch überredete Audibert Gaillard, mich nicht anzuzeigen. Er tat so, als würde er ihn um einen Gefallen bitten, als ginge es darum, die Affäre nicht weiter aufzubauschen und einen Image-Schaden vom Betrieb abzuwenden. Gaillard merkte gar nicht, dass das eine versteckte Art war, ihn zu diskreditieren und ihm verstehen zu geben, dass er sich die Tracht Prügel wohl verdient hatte. Dass er es im Prinzip verdient hatte, fanden übrigens auch die meisten Kollegen. Er versuchte, sich selbstals Opfer eines gewalttätigen Übergriffs zu inszenieren, aber es wussten ja alle, wie friedfertig ich zehn Jahre lang gewesen war. «Wo es raucht, da ist auch Feuer», sagt ein französisches Sprichwort. Und so bezichtigte man ihn, meinen Zornesausbruch heraufbeschworen zu haben. Seine

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