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Zum Glück Pauline - Roman

Zum Glück Pauline - Roman

Titel: Zum Glück Pauline - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C.H.Beck
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Geschäftspraktiken wurden mehr und mehr infrage gestellt, und seine Karriere geriet ins Stocken. Diese nachträgliche Gerechtigkeit, die ihm widerfuhr, hätte mir Genugtuung sein können, aber das war es nicht. Mich interessierte der Typ nicht mehr.

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    Intensität der Schmerzen: 3

Gemütslage: befreit

19
    Ich wusste nicht, ob ich die Abfindung bekommen würde, wie ich den Kredit zurückzahlen und wie ich überhaupt die nächsten Monate überstehen sollte, aber ich hatte auch keine Lust, mich beim Arbeitsamt in die Schlange zu stellen, nein, ich wollte gerade eigentlich gar nichts tun, außer das Leben zu genießen. Der Nachmittag hatte eben erst begonnen,aber es kam mir vor, als läge ein ganzes Jahrhundert vor mir. Die Zeit streckte sich wie eine Katze beim Aufwachen. Da ich meine Arbeit los war, konnte ich ja jetzt meine Probleme in Angriff nehmen. Ich hoffte auch, dass mein Rücken von dieser Entlastung profitieren würde. Ich schrieb eine SMS an meine Frau, und sie schrieb umgehend zurück. Komisches Gefühl, ihr eine SMS zu schreiben und dabei auf einmal seine Worte so vorsichtig abzuwägen. Wir verabredeten uns für den Abend in einem Restaurant. Was würden wir einander sagen? Würden wir uns über die Vergangenheit oder über die Zukunft unterhalten? Ich hatte keine Ahnung. Wir standen an dem berühmt-berüchtigten Scheideweg, von dem viele Wege abzweigten. Nach diesem Abend würde sich zeigen, ob wir uns nie mehr wiedersehen oder nie mehr auseinandergehen wollten. Alles war möglich. Im Grunde waren wir uns wohl nicht so sicher, was wir wollten. Wir befanden uns in einem Lebensabschnitt zwischen den Lebensabschnitten, wo es schwierig zu sagen war, ob wir jung oder alt, glücklich oder unglücklich waren, das würde sich alles bei diesem Essen herausstellen. Oder wenigstens was mich betraf, so würde sich das herausstellen.
    Ich fuhr wieder zu Édouard und Sylvie. Sylvie arbeitete in einem großen Zimmer, das ihr Atelier war. Édouard liebte und bewunderte seine Frau, also setzte er alles daran, ihr die bestmöglichen Arbeitsbedingungen zu verschaffen. Man konnte ihn auch ihren Mäzen nennen. Ich fragte Sylvie, ob es sie nicht störte, wenn ich ihr zuschaute. Ich wollte ihr auf gar keinen Fall lästig sein.
    «Oh nein, ganz im Gegenteil. Ich find’s schön, wenn du mir zuschaust …»
    «Ah …», gab ich zurück, ich glaube, ich roch den Braten schon.
    Wie alle Künstler, die selten ausstellen, fand Sylvie es ganz toll, wenn ihr jemand über die Schulter blickte. Sie freute sich, dass ich da war, das gab ihr nämlich Gelegenheit, alles, was sie in den vergangenen Monaten gemalt hatte und ich ja noch nicht kannte, noch einmal durchzugehen. Am Anfang, als ich sie kennenlernte, war ich ganz fasziniert von ihr gewesen. Ich war sogar in sie verliebt gewesen, ich sagte es schon. Sie stellte für mich das Aufregendste dar, das man nur darstellen kann: eine künstlerische Autorität. Die Zeit, in der wir von Galerie zu Galerie gezogen waren, lag weit zurück, aber wir konnten immer noch mit jung gebliebener Begeisterung von ihr reden. Es gibt Erinnerungen, bei denen eben keine Verschleißerscheinungen auftreten. Wir standen uns immer noch sehr nah, doch was uns voneinander entfremdete, das waren die Kinder. So war unsere Freundschaft mit der Zeit ein bisschen auseinandergefallen. Ich sah das gar nicht unbedingt negativ. Wenn wir auch nicht die Gleichen geblieben waren, verband uns doch immer noch die Vergangenheit.
    Ich erzählte ihr von meinem Gespräch mit Audibert und dem vorläufigen Ende meiner beruflichen Laufbahn. Sie wirkte alarmiert:
    «Was wirst du denn jetzt machen?»
    «Keine Ahnung.»
    «Du solltest wieder anfangen zu schreiben.»
    «Was?»
    «Schreiben. Erinnerst du dich, du hast mal geschrieben?»
    «Ja … ja … aber mich wundert, dass du dich daran erinnerst. Du hast mir nämlich damals geraten, es bleiben zu lassen …»
    «Nein, ich wollte dich bloß vor den Problemen bewahren, die das Schriftstellerdasein mit sich bringt. Das hast du falsch verstanden.»
    «…»
    «Es war auch gar nicht nötig, groß auf dich einzuwirken, damit du mit dem Schreiben aufhörst. Der Gedanke ans Schriftstellerleben hat dir totale Angst eingeflößt.»
    «Warum sagst du mir das alles, jetzt?»
    «Um dich daran zu erinnern, wer du einmal warst. Ein geistreicher junger Mann, den ich vergöttert habe.»
    «Oh … ja, ich habe dich auch vergöttert …»
    «Ich weiß! Jetzt haben wir aber genug von dir geredet …

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