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Zum Glück Pauline - Roman

Zum Glück Pauline - Roman

Titel: Zum Glück Pauline - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C.H.Beck
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die Vergangenheit noch viel bedrohlicher. Ich würde den Geschmack dessen auf der Zunge haben, was einmal gewesen war und nie mehr sein würde. Ich musste aufhören, solche Sachen zu denken, und einfach den Augenblick genießen. Und ich durfte auf gar keinen Fall anfangen, von meinem Rücken zu reden. Dumm von mir, das Treffen unter diesem Aspekt zu betrachten. Ich hatte keinen Termin bei einer Sexologin, sondern bei einem Mädchen, das inzwischen eine erwachsene Frau geworden war.
    Sie kam zehn Minuten zu spät * . Ich erkannte sie sofort wieder. Es war verblüffend. Indem ich sie sah, hatte ich das Bild vor Augen, wie wir mit acht Jahren ausgesehen hatten. Ihr Blick hingegen schweifte suchend durchs Restaurant, ein Zeichen dafür, dass das Erkennen nicht auf Gegenseitigkeit beruhte. Erst als ich kurz winkte, wandte sie sich in meine Richtung und kam mit einem breiten Lächeln auf mich zu. Wir küssten uns auf die Wangen, wie alte Freunde eben. Die Unterhaltung begann wie von selbst. Wie auf Facebook, sprudelten die Worte nur so aus uns hervor. Sophie Castelot hatte einen angeborenen Gesprächssinn. Sie würde keine peinlichen Pausen aufkommen lassen. Was mich etwas störte: Es fällt mir immer schwer, eine Frau anzuschauen, wenn ich gleichzeitig mit ihr reden muss. Und ich hätte Lustgehabt, sie erst einmal in Ruhe zu betrachten. Jedes Detail ihrer Weiblichkeit in Augenschein zu nehmen. Die Tatsache, dass sie ihrem Profil kein Foto hinzugefügt hatte, hatte ich vollkommen falsch interpretiert. Sophie war schön. So schön, dass ich mich fragte, wieso ich nicht schon früher auf die Idee gekommen war, sie anzuschreiben, sondern dreißig Jahre gewartet hatte. Eine Weile ließ ich mich von ihr bezaubern, bis die Realität mich wieder einholte: der Grund unseres Treffens. Sie hatte mich nicht zu ihrem Geburtstag eingeladen. Hatte mich von ihrer Feier ausgeschlossen. Wenn sich zwei Menschen aus den Augen verlieren, liegt es meist mehr am einen als am anderen.
    Ich musste aufpassen, dass das nicht wieder losging. Sophie gehörte zu der Sorte, die einem erst schöne Augen machte und dann hinterher nicht zum Geburtstag einlud. In dem Moment sagte sie:
    «Das ist ja lustig, dass wir uns heute treffen. Weißt du, ich mach am Samstag eine große Feier, ich hab nämlich Geburtstag. Das wäre doch schön, wenn du auch kommen könntest.»
    «…»
    «Hallo?»
    «Äh … nein … ich kann leider nicht am Samstag, ich fahr weg … ich flieg mit meiner Tochter nach Amerika …»
    Sie begann, mir von ihrem Sohn zu erzählen. Sie fand es traurig, ein Einzelkind zu haben. Gern hätte sie noch ein zweites bekommen. Aber nun ja, sie war geschieden und hatte gerade keine feste Beziehung. Genauso hatte ich mirihr Leben vorgestellt, dachte ich nebenbei. Sie redete weiter von ihrem Sohn, aber ich hörte gar nicht richtig zu. Meine Gedanken waren irgendwie bei diesem Geburtstag hängengeblieben. Das war doch der komplette Irrsinn. Ich hatte Sophie treffen wollen, um eine alte Wunde zu verarzten, und schon bot sie – ohne davon zu wissen – mir an, mir einen Verband anzulegen. Wie seltsam das Leben doch manchmal spielte. Ich wollte gar nicht mehr wissen, warum sie mich damals nicht eingeladen hatte. Vielleicht würde ich sie ein andermal fragen? Wenn wir uns wiedersehen würden? Denn unsere Begegnung markierte zweifellos den Beginn einer neuen Ära. Ich verstand, man musste seinen Intuitionen folgen, auch wenn sie noch so wunderlich erscheinen mochten. Sophie redete immer noch, nichts wissend von den Hintergründen unserer Zusammenkunft. Meine Wunde war geheilt.
    Beim Essen sprachen wir über sehr persönliche Dinge. Man vertraut gern Leuten, die man nicht so gut kennt oder mit denen man nicht so oft zusammenkommt, private Sachen an. Ich erzählte aus meinem Leben, von der Kündigung und der Trennung von Élise.
    «Das wundert mich alles überhaupt nicht», meinte sie.
    «Ach echt? Wieso wundert dich das nicht?»
    «Das war der Grund, warum du mich treffen wolltest.»
    «Na und?»
    «Du stehst an einem Wendepunkt deines Lebens und schaust zurück in die Vergangenheit. Das ist normal.»
    «Ich weiß nicht …»
    «Wir stecken beide in der gleichen Situation. Wir sind vierzig, geschieden, und wissen nicht so recht, was die Zukunft noch bringen wird.»
    «…»
    Ich wusste nicht, was ich darauf sagen sollte. Das Gespräch bekam in der Folge eine etwas melancholische Note. Ich war überrascht. Man will doch immer in einem günstigen Licht

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