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Zum Glück Pauline - Roman

Zum Glück Pauline - Roman

Titel: Zum Glück Pauline - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C.H.Beck
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York, die einzige Stadt der Welt, deren Lärm irgendwie etwas Betörendes hat.
    «Wahnsinn! Wir sind in New York!», rief Alice begeistert aus.
    «Ja, Wahnsinn …»
    «Was glaubst du, was für ein Gesicht er machen wird, wenn er uns sieht?»
    «Na ja, das wird sicher ein Schock für ihn sein.»
    «Ja, vor allem, wenn er dich sieht. Du bist ja nicht gerade für Überraschungsbesuche bekannt …»
    «…»
    Ich wollte noch etwas erwidern, aber Alice hatte schon recht. Meine Spezialität war das Vorbereitungen-Treffen.
    In der Columbia University mussten wir aufpassen, dass uns Paul nicht über den Weg lief. Als wir den Lesesaal betreten wollten, richtete das Aufsichtspersonal das Wort an uns. Ich verstand kein bisschen von dem, was die Frau sagte. Mit meinen wenigen Brocken Englisch bemühte ich mich zu erklären, dass ich gern meinen Sohn besuchen würde. Sie verstand mich so wenig wie ich sie. Aber sie ließ uns durch, wahrscheinlich weil es ihr zu anstrengend war, sich mit mir auseinanderzusetzen. Unverständnis erzeugenist manchmal die beste Methode, wenn man etwas erreichen will. Durch den Lesesaal huschten wir auf leisen Sohlen und versteckten uns hinter den Bücherregalen. Die Studenten würdigten uns leicht blasierter Blicke, als schlösse der
American way of life
die Toleranz gegenüber den ungewöhnlichsten Verhaltensformen bereits mit ein. Wir hatten Paul ziemlich schnell aufgespürt. Wir schlichen uns von hinten an. Da saß er und hatte keine Ahnung von der Überraschung, die sich hinter ihm zusammenbraute. Uns trennten nur noch wenige Meter. Alice hüpfte herum wie ein kleines Kind. Ein komisches Gefühl, in diesem Tempel der Stille und der Konzentration eine solche Aufregung zu verspüren.
    Langsam traten wir näher. Wir blieben einen Augenblick reglos stehen, wie zwei Engel, die ihm über die Schulter blickten. Als er merkte, dass da jemand war, drehte er sich um und fing an zu schreien. Sein Schrei war ein derartiger Ausbruch aus dem Bibliotheksalltag, dass niemand es wagte, sich zu empören. Paul stand auf und starrte uns ungläubig an. Er wirkte wie ein Glatzkopf, dem auf einmal Haare gewachsen waren. Alice sprach aus, was mit Händen zu greifen war:
    «Surprise! Surprise!»
    «Das gibt’s doch nicht! Was macht ihr denn hier?»
    «Du hast uns so gefehlt …», sagte ich einfach.
    Wir vergaßen ganz, wo wir waren. Die anderen Studenten wurden langsam etwas ungehalten. Paul erklärte ihnen auf Englisch, dass wir extra aus Frankreich gekommenwaren, um ihn zu überraschen. Alice wurde von ihren Gefühlen überwältigt und begann zu weinen. Da waren die Amerikaner dann ganz aus dem Häuschen. Sie gaben einige von diesen Superlativen von sich, wie sie nur Amerikaner von sich geben können. Hollywood lässt grüßen. Aber gut, die Begeisterung verflog auch wieder. Wir gingen am besten mal raus. Dort berichteten wir Paul, wie es gekommen war, dass wir uns so kurzentschlossen auf den Weg nach Amerika gemacht hatten.
    «Aber hast du so kurzfristig Urlaub bekommen?»
    «Ich bin entlassen worden …»
    «…»
    Paul rang um Worte. Das hatte er von mir. Die gleiche Art der Sprachlosigkeit. So etwas wie ein erblicher Sprachfehler, der von Mund zu Mund übertragen wurde. Aber ich konnte ihn beruhigen, versicherte ihm, es gehe mir ausgezeichnet. Wir fuhren in sein Apartment, um unser Gepäck abzustellen. Er wohnte in Williamsburg, einem ziemlich angesagten Teil von Brooklyn, zusammen mit einem anderen Studenten aus Paris. «Ihr werdet euch hier wie zu Hause fühlen. Es gibt recht viele Franzosen», bemerkte Paul. Das konnte man laut sagen, überall wurde Französisch gesprochen. Ich fand es merkwürdig, im Ausland zu sein und sich dabei wie zu Hause zu fühlen. Aber Paul gefiel das. Oft lernt man erst in der Fremde das eigene Land richtig zu schätzen. Das wurde mir in New York endgültig klar. Das schwindelerregende Gefühl, in der Fremde zu sein, nahm dadurch, dass man auf der Straße Franzosen sah, mit denen einen eine gemeinsame Herkunft verband, deutlich ab. New Yorkist nämlich in der Lage, ein äußerst schwindelerregendes Gefühl zu erzeugen.
    Auf den Fotos hatte Pauls Apartment größer ausgesehen. Ich hatte gedacht, wir könnten bei ihm übernachten, aber als ich die Wohnung sah, überkamen mich Zweifel.
    «Ach was, das geht schon», meinte er. «Du kannst in meinem Bett schlafen, und Alice und ich legen uns aufs Sofa im Wohnzimmer.»
    «Ja, das geht schon», meinte auch Alice.
    Komfort spielte letztlich

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