Zum Glück verführt: Roman (German Edition)
Wohnhaus und die Nebengebäude waren aus weißen Adobeziegeln gemauert, das Dach mit gebrannten Ziegeln gedeckt. Die vier majestätischen Stützpfeiler auf der Frontseite erhoben sich über einer großzügigen Veranda, wo in Hängeampeln Farne, Petunien, Begonien und Fleißige Lieschen blühten. Die Farbenpracht war überwältigend. Der Schatten spendende Patio hob sich wohltuend von dem blendenden Weiß des Mauerwerks ab.
»Nochmals vielen Dank, Mr. Houghton«, rief sie, sobald der Laster ächzend zum Stehen kam und er umständlich den ersten Gang einlegte.
»Keine Ursache, junge Dame. Hoffentlich ist das mit Ihrem Wagen nichts Ernstes.«
»Das hoffe ich auch.« Sie sprang aus der Kabine und zog eine gequälte Grimasse, als sie unsanft auf dem Kies aufkam. Um unentdeckt zu bleiben, schloss sie die Beifahrertür so sacht wie eben möglich. Und atmete auf, als diese leise schabend zuschnappte. Unschlüssig nahm sie Kurs auf das Haus, blieb demonstrativ vor einem Blumenkübel stehen, den sie ausgiebig bewunderte. Sobald der Lastwagen außer Sicht war, glitt sie in das schattige Dunkel der Veranda.
Hinter den Säulen erstreckte sich eine breite Glasfront. Wie eine Diebin schlich sie sich von einem Glaselement zum anderen, legte die Hände trichterförmig auf die Scheiben und spähte ins Innere. Die Räume hatten hohe Decken, waren geschmackvoll eingerichtet und blitzsauber. Sie blickte in einen Salon mit bombastischem Kamin, kuscheligen Sofas und Sesseln, in ein von Bücherregalen gesäumtes Arbeitszimmer mit einem wuchtigen Holzschreibtisch, auf dem sich Unterlagen türmten, und in das Esszimmer. Der letzte Raum war mit einem Boden aus Terrazzofliesen und Korbmöbeln ausgestattet. Durch das Fenster bemerkte Andy die deckenhohen Glastüren, die in eine der Seitenwände eingelassen waren. Und die üppigen tropischen Pflanzen, die dort prachtvoll zu gedeihen schienen. An der Decke drehte sich langsam ein Ventilator.
Ein alter Mann saß in einem Rollstuhl und las – oder schlief er? Andy glitt um die Hausecke herum und spähte verstohlen durch das Türglas. Er hatte
ein Buch auf dem Schoß und schmökerte darin. Altersfleckige Finger blätterten zitternd eine Seite um, während er sich mit der anderen Hand die goldgerahmte Brille auf der knochigen Nase zurechtrückte.
Plötzlich zuckte Andy ertappt zusammen. Ohne den Blick von seiner Lektüre zu heben, forderte er sie nämlich unvermittelt auf: »Kommen Sie doch rein, Mrs. Malone.«
2. Kapitel
D er Schock fuhr ihr in sämtliche Glieder. Wie paralysiert blieb sie stehen. Wie peinlich, dass ausgerechnet der General sie beim Spionieren erwischen musste! Gleichwohl nickte der greise Gentleman ihr wohlwollend zu. Wenn sie ehrlich war, irritierte er sie genauso wie sein Sohn. Andy hatte sich ihn eher wie George C. Scott als General Patton vorgestellt. Unnahbar, mit militärisch strengen Zügen. Der General Michael Ratliff, der dort im Zimmer saß, strahlte dagegen Güte und Milde aus. Allerdings kannte sie ihn bisher nur von alten Kriegsfotos, und die wiesen zwangsläufig wenig Ähnlichkeit mit dem gebrechlichen alten Herrn im Rollstuhl auf.
Es schien ihn zu amüsieren, dass er sie erkennbar beeindruckte. »Bitte, genieren Sie sich nicht. Treten Sie ruhig ein, dann kann ich Sie besser sehen, Mrs. Malone.«
Wie in Trance stakste Andy durch die geöffnete Glastür in den Wintergarten. »Sie sind General Ratliff?« , fragte sie unschlüssig.
Er grinste. »Ja, der bin ich.«
»W…«, sie schluckte schwer. »Woher kennen Sie
meinen Namen? Hatten Sie mit meinem Besuch gerechnet?« Einen kurzen Moment lang überlegte sie, ob Les vielleicht selbst an den General herangetreten wäre und ihn um ein Interview gebeten hätte, verwarf den Gedanken aber sofort wieder. Nein, das passte nicht zu Les. Es war definitiv nicht sein Stil. Zudem, wer mit dem General reden wollte, kam an seinem Sohn nicht vorbei. Und der impulsive Les hätte bei Lyon bestimmt ganz schlechte Karten gehabt.
»Ja, ich habe Sie schon erwartet«, erklärte der General rundheraus. »Bitte, nehmen Sie doch Platz. Möchten Sie etwas trinken?«
»Nein … nein danke.« Unvermittelt kam sie sich wie ein Schulmädchen vor, das bei einem dummen Streich erwischt worden war. Sie setzte sich steif auf den Rand eines Korbsessels mit hohem, geschwungenem Rücken und bunt bedrucktem Polster. Stopfte ihre Unterarmtasche zwischen Schenkel und Armlehne und zupfte unbehaglich an der Manschette ihrer Bluse. »Sie haben
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