Zum Glück verführt: Roman (German Edition)
bin ich froh, wenn es vorbei ist. Es ist zermürbend, wenn man alt und krank ist, nicht mehr gebraucht wird.«
Da sie darauf nichts zu erwidern wusste, schwieg sie und musterte ihn eindringlich. Der General sprach als Erster wieder. »Einmal angenommen, ich lasse mich von Ihnen interviewen. Kann ich dann Einfluss nehmen auf die Fragen?«
Ihr Herzschlag beschleunigte sich. Das ließ sich doch sehr positiv an. »Ja, Sir.«
»Also schön. Sie bekommen Ihr Interview, Mrs. Malone. Trotzdem will mir nicht einleuchten, warum Sie mich interviewen möchten. Da gibt es doch weitaus beeindruckendere Figuren.«
»Ich finde Sie ungemein beeindruckend«, versetzte sie mit Nachdruck.
Er lachte, dieses Mal jedoch verhaltener, als hätte er Bedenken, damit einen weiteren Hustenkrampf auszulösen. »Das war ich vielleicht mal – als junger Mann. Und jetzt zu meinen Bedingungen: Meinetwegen können Sie meine gesamte Kindheit, Ausbildung, Militärlaufbahn, meine Karriere vor und nach dem Krieg durchleuchten. Im Ersten Weltkrieg war ich übrigens einfacher Fußsoldat. Wussten Sie das?« Ohne ihre Antwort abzuwarten, fuhr er fort: »Sie können mich ganz allgemein über den Krieg befragen, aber ich diskutiere keine einzelnen Schlachten.«
»Einverstanden«, meinte sie gedehnt.
»Sollten Sie eine Frage zu einem speziellen Kampfeinsatz stellen, werde ich Ihnen rigoros die Antwort verweigern.«
»In Ordnung.« Ganz geheuer war ihr das zwar nicht, aber an diesem Punkt hätte sie allem zugestimmt, weil sie unbedingt das Interview wollte.
»Wann fangen wir an? Gleich heute?«
Sein Enthusiasmus wirkte richtig ansteckend. Andy lächelte. »Nein. Heute Abend muss ich erst einmal telefonisch meine Crew informieren. Schätze mal, meine Kollegen können in ein, zwei Tagen mit der entsprechenden Ausrüstung hier sein.«
»Wird das Interview gefilmt?«
»Wir produzieren ein Video.«
»Ein Video«, sinnierte er, als wäre ihm diese Technik nicht geläufig.
»Es ist vergleichbar mit einer Filmrolle, lässt sich aber leichter bearbeiten. Sie müssen sich das in etwa so vorstellen wie früher die Kassetten für den Kassettenrekorder.« Er nickte unschlüssig. »Bis meine Crew eintrifft, kann ich schon einmal die Schauplätze auswählen. Ich persönlich finde es atmosphärisch ansprechender, wenn nicht immer in derselben Umgebung gedreht wird.«
»Und wir haben inzwischen Gelegenheit, uns besser kennen zu lernen.« Er zwinkerte ihr zu. »Wie lange dauert das Ganze?«
»Wir arbeiten immer nur so lange, wie es Ihre Gesundheit zulässt. Ich denke, wenn wir jeden Tag eine
komplette Folge aufzeichnen, ist das für alle Beteiligten akzeptabel. Dann beenden wir das Projekt …«
»Das Projekt ist bereits beendet, bevor Sie überhaupt damit begonnen haben.«
Der vernichtende Kommentar kam von der Tür her, durch die Andy in den Wintergarten geschlüpft war. Ihr Kopf schnellte herum, und sie gewahrte Lyon, dessen hoch gewachsene Statur sich als bedrohlich dunkler Schatten vor dem strahlenden Sonnenlicht abzeichnete. Breitbeinig, in staubigen Cowboystiefeln, stemmte er die Hände in die Hüften seiner eng anliegenden Jeans. Seine Miene missmutig verschlossen, wellten sich seine windzerzausten Haare über den lässig offenen Kragen eines karierten Sporthemds.
»Komm rein, Lyon. Soweit ich weiß, hast du Mrs. Malone schon kennen gelernt. Sie ist unser Gast.«
Lyon steuerte in den Raum. Er ignorierte den Gesprächsball, den sein Vater ihm höflicherweise zuwarf, und funkelte stattdessen Andy an. »Was zum Donnerwetter machen Sie hier?«
Andy sprang auf, fest entschlossen, ihm Paroli zu bieten. Erstens hatte sie sich nicht das Geringste vorzuwerfen, und zweitens war sie keine kleine Bittstellerin, die vor ihm kuschte. »Sie wissen genau, was ich hier mache.«
»Zufällig weiß ich auch, wie Sie sich Zugang zu unserer Ranch verschafft haben. Mr. Houghton erwähnte nämlich ganz beiläufig, dass er eine junge
Dame mitgenommen habe, nachdem ihr Wagen liegen geblieben war. Die Ärmste wollte unbedingt ihre Verabredung mit Gracie einhalten. Gracie ist seit ewigen Zeiten bei uns beschäftigt und hat meines Wissens noch nie eine ›Verabredung‹ gehabt. Also habe ich eins und eins zusammengezählt und prompt auf Sie getippt. Und jetzt, Ms. Malone, verschwinden Sie, und zwar schleunigst. Sonst helfe ich ein bisschen nach.« Zweifellos meinte er es ernst. Er griff nach ihr, doch sein Vater legte ihm beschwörend eine Hand auf den Arm.
»Lyon, deine
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