Zum Glück verführt: Roman (German Edition)
bitte. Da ist nichts. Wahrscheinlich will er nicht alles wieder aufrollen, was er im Einzelnen erlebt hat.«
»Was ist mit seinem Sohn? Ob der redet?«
»Nein«, versetzte sie scharf.
»Wow! Hab ich da einen empfindlichen Nerv getroffen? Was ist denn der Junior für einer?«
»Er ist … ach, nichts Besonderes. Ich meine, er ist erfolgreicher Geschäftsmann, ein Rancher, der null Interesse am Militär hat. Das hat er mir selbst gesagt.«
»Aber er hat ein berechtigtes Interesse an seinem alten Herrn. Und wenn der Senior irgendwas vertuschen will, ist der Sohn mit im Boot. Glaubst du, du kannst ihm auf den Zahn fühlen?«
»Nee, Les. Und ich würde es selbst dann nicht tun, wenn da was wäre . Aber da ist nichts.«
»Komm mir bloß nicht naiv, Andy-Maus, und mach mir einen auf Zimperliese. Du weißt genauso gut wie ich, dass niemand völlig integer ist. Knöpf dir den Sohnemann vor. Herrgott, bei mir bräuchtest du
nur zehn Prozent deiner Technik anzuwenden, und ich würde übersprudeln wie ein Wasserfall.«
»Ich habe keine Technik.«
»Hast du wohl, du willst es bloß nicht zugeben.« Er machte eine rhetorische Pause und fuhr dann fort: »Freunde dich mit dem Sohn an, Andy. Tu es für mich. Okay?« Sie schwieg. »Vielleicht behältst du ja Recht, trotzdem kann es nie schaden, Freunde zu haben, oder? Lass deinen Charme bei ihm spielen. Wie hieß er noch gleich … Lyon, nicht? Abgemacht?«
»Okay, okay, ich tue, was ich kann.« Zwar war sie fest entschlossen, Lyon Ratliff am ausgestreckten Arm verhungern zu lassen, aber das musste Les nicht wissen. Sie wollte endlich ihre Ruhe haben. Deshalb erzählte sie ihm, was er hören wollte. »Ich leg jetzt auf.«
»Schätzchen, du hast mich davor bewahrt, dass ich morgen früh mit einem mordsmäßigen Kater aufwache. Wie kann ich das jemals wieder gutmachen?«
»Dir wird schon was einfallen«, sagte sie trocken.
»Ich wüsste ja was, aber davon hältst du nichts. Ich liebe dich. Weißt du das, Andy-Maus?«
Les schien echt deprimiert und sehnte sich offenbar nach Streicheleinheiten. »Ja, ich weiß, dass du mich liebst. Ich liebe dich auch.«
»Dann wünsche ich dir eine gute Nacht.«
»Schlaf gut.«
»Träum was Schönes.«
»Du auch.«
Nachdem sie aufgelegt hatte, fühlte sie sich wie durch den Fleischwolf gedreht. Erst Lyon und jetzt auch noch Les. Obwohl – Lyon hatte sie tiefer verletzt. Les’ abrupte Stimmungswechsel war sie gewöhnt. Sein Gejammer, das lose Mundwerk und seine arrogante Art, die jedem auf den Keks ging, der ihn nicht kannte.
Zurück in ihrem Zimmer löschte sie das Licht und ging direkt ins Bett. Sie sank auf das frisch duftende Laken und zog die leichte Decke über ihre Schultern. Ließ den Tag vor ihrem geistigen Auge vorüberziehen und konnte es kaum fassen, was so alles passiert war. Hatte sie verantwortungslos gehandelt, indem sie sich mit einem Trick Zugang zu der Ranch verschafft hatte und damit automatisch auch zu dem General? Hätte sie es anders machen sollen? Wäre Lyon dann zugänglicher gewesen? Vermutlich nicht. Zumal sie es noch am Vortag mit dieser Masche probiert hatte. Da stand Lyons Urteil über sie allerdings schon lange fest, obwohl sie einander noch nie begegnet waren.
Ganz offensichtlich projizierte er die Fehler seiner Ex auf alle Frauen. Eine lebenshungrige Egoistin, hatte sie ihn mitsamt seiner Ranch sitzen lassen. Und er nahm es gelassen hin. Kein Wunder bei einem Typen wie Lyon. Der kämpfte nicht, wenn eine Frau ihn verließ. Da seine Ex als Heimchen am Herd unzufrieden gewesen war, unterstellte er jeder beruflich engagierten
Frau, ähnlich gefühlskalt und flatterhaft zu sein sie.
»Das ist nicht zwangsläufig der Fall, Mr. Ratliff«, murmelte sie in die Dunkelheit.
Bisweilen war einem die Qual der Wahl eben schon abgenommen, bevor sie sich stellte: Für Andrea Malone wäre nie etwas anderes infrage gekommen als die journalistische Laufbahn, zumal sie ihrem Vater damit einen Herzenswunsch erfüllt hatte. Als Einzelkind war sie diejenige gewesen, die den Namen Malone hatte hochhalten sollen. Sie hatte Robert geheiratet und beim Tod ihres Vaters beinahe so etwas wie Erleichterung verspürt. Sie hatte beruflich kürzertreten wollen, sich ein Baby gewünscht.
Halb amüsiert, halb verblüfft, hatte Robert sich ihre Pläne angehört. »Das meinst du doch nicht im Ernst, oder? Du willst kündigen und Hausmütterchen werden?« Andy hatte die enttäuschte Verblüffung in seinen Zügen gelesen. Ganz
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