Zum Heiraten verfuehrt
provozierenden Blick auffing, reckte sie stolz den Kopf.
Spontan streckte Ruby die Hände aus, um ihren Söhnen über die zerzausten dunklen Locken zu streichen – gleichzeitig mit Sander. Was dazu führte, dass sich ihre Hände berührten. So eilig, als ob sie sich verbrannt hätte, zog Ruby die Hand zurück, aber gegen den Schauer, der ihr über den Rücken rieselte, kam sie nicht an. Dabei hatte Sander sie schon weit intimer berührt als eben … damals. Prompt kam ihr die unwiderstehliche Mischung aus Erfahrung und Erregung in den Sinn, mit der er sie genommen hatte. Und da war noch etwas anderes gewesen, das sie in ihrer Naivität als ein Verlangen interpretiert hatte, das nur sie und keine andere meinte.
Die Realität war leider anders gewesen. Ruby hatte so tiefe Wunden davongetragen, dass eine Beziehung zu einem Mann für sie später schlicht nicht mehr denkbar gewesen war. Und so war Sander bis heute der einzige Mann geblieben, der sie je sexuell berührt hatte. Lange verdrängte Erinnerungen brachen sich Bahn. Erinnerungen, ausgelöst durch diesen Kuss, den er ihr vorhin aufgezwungen hatte. Ruby erschauerte angesichts ihrer eigenen Schwäche, doch zu spät. Ihr Gedächtnis beschwor bereits Bilder, Geräusche und Gerüche herauf, die sich nicht mehr wegschieben ließen – Sanders Hände auf ihrem Körper, seine Atemzüge an ihrem Ohr, später auf ihrer Haut. Halt, nein, sie durfte nicht daran denken! Sie musste stark bleiben. Sie musste der Verlockung widerstehen. Sie war kein siebzehnjähriges Mädchen mehr, sondern eine erwachsene Frau, eine Mutter, für die das Wohl ihrer Söhne an vorderster Stelle stand.
3. KAPITEL
Ruby hatte rasende Kopfschmerzen, die sich im schlimmsten Fall zu einem Migräneanfall auswachsen konnten, wie sie aus Erfahrung wusste. Es war eine vertraute Reaktion auf zu viel Stress. Im Moment aber konnte sie keine Schwäche bei sich zulassen, selbst wenn sie, wie so oft in letzter Zeit, kaum geschlafen hatte und ihr bereits beim Aufwachen übel gewesen war.
Die Zwillinge trugen die neuen Pullis und Jeans, die ihre Tanten ihnen zu Weihnachten geschenkt hatten, und an den Füßen die neuen Turnschuhe von Ruby. Ihr Erwerb hatte einen Großteil von Rubys sauer Erspartem verschlungen, aber nachdem sie den missbilligenden Blick gesehen hatte, mit dem Sander die alten Schuhe der Zwillinge gestreift hatte, hatte es keinen anderen Weg mehr gegeben. Das war an dem Tag gewesen, an dem er vorbeigekommen war, um „die letzten Formalitäten zu klären“, wie er sich ausgedrückt hatte. Damit hatte er die Vorbereitungen gemeint, die für die Trauung und ihre anschließende Übersiedlung auf die Insel zu treffen waren, wo sie in Zukunft leben würden.
Jetzt warteten sie auf Sander, der sein Versprechen wahrmachen und mit ihnen nach London fahren wollte, bevor sie auf die Insel fliegen würden. Harry und Freddie standen schon ganz aufgeregt am Fenster und hielten Ausschau nach ihm.
Ruby war beklommen zumute. Heute war ihr letzter Tag in ihrem alten Zuhause. Was auf sie zukam, wusste sie nicht. Hätte sie sich anders entschieden, wenn ihre Schwestern in erreichbarer Nähe gewesen wären und sie eine Gelegenheit gehabt hätte, in schöner Ausführlichkeit jedes Für und Wider ihres Vorhabens abzuwägen? Ruby wusste es nicht, besonders, weil sie nicht sehen konnte, wie sie sich anders hätte entscheiden sollen. Sie war ihren Schwestern von Herzen dankbar für die selbstlose Unterstützung, die sie ihr in den vergangenen Jahren gewährt hatten. Nach und nach aber war immer deutlicher geworden, dass dieses Leben nicht ewig so weitergehen konnte, weil Charley und Lizzie natürlich über kurz oder lang ihr eigenes Leben wollten, und da durfte Ruby ihnen auf keinen Fall im Weg stehen.
Nein, sie hatte sich richtig entschieden, in erster Linie für die Zwillinge, die ihre behutsam vorgebrachte Ankündigung, dass Sander und sie heiraten und die Zwillinge einen Daddy bekommen würden, mit einem wahren Freudengeheul aufgenommen hatten. Aber auch für ihre Schwestern, denen sie so viel zu verdanken hatte, war es die richtige Entscheidung.
Für Sander lief alles bestens, genau nach Plan. Weil im Moment Osterferien waren, konnte sich Ruby nicht einmal damit herausreden, dass die Jungs zur Schule mussten und sie deshalb nicht nach London fahren könnten.
Außerdem war es bereits beschlossene Sache, dass sie nach den Osterferien auf die kleine Privatschule der Insel gehen sollten, mit Englisch als
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