Zum Heiraten verfuehrt
Zustand gut und gern noch zwei oder drei Tage anhalten konnte.
Doch als der Friseur jetzt vom Spiegel zurücktrat und sie nach ihrer Meinung fragte, war Ruby fast sprachlos über die Verwandlung. Aus ihrer schweren Mähne war eine atemberaubend elegante Frisur geworden, die, sanft ihr Gesicht umschmeichelnd, weich auf ihre Schultern fiel und den Frisuren ähnelte, die Ruby bei einigen der Frauen in der Hotellobby gesehen hatte. Ein betont schlichter Stil, gleichzeitig edel und elegant.
„Ich … ich … ja, es sieht wirklich gut aus“, erklärte sie matt.
„Diese Frisur ist ausgesprochen pflegeleicht. Das Haar fällt nach dem Waschen genauso wie jetzt.“
Ruby bedankte und verabschiedete sich. Immerhin hatte sie es heute Morgen wenigstens geschafft, zwei Scheiben trockenen Toast zu essen und zwei Tabletten zu schlucken, die ihre Kopfschmerzen zumindest etwas gelindert hatten.
Der nächste Punkt auf ihrer To-do-Liste war das Beauty Spa. Unterwegs fing sie immer wieder die Blicke anderer Frauen auf. Was Ruby sich damit erklärte, dass wahrscheinlich ihre neue Frisur zusammen mit ihrem sonstigen Aufzug kein stimmiges Bild ergab.
Obwohl sie es nicht gern zugab, war es natürlich doch so, dass der erste Eindruck zählte und dass Menschen ihre Mitmenschen nach dem Aussehen beurteilten – besonders Frauen. Und sie wollte auf gar keinen Fall, dass die Zwillinge sich für ihre Mutter schämen mussten. In diesem Punkt reagierten auch kleine Kinder schon sehr sensibel.
Vor dem Beauty Spa angelangt, atmete Ruby tief durch, dann hob sie den Kopf und betrat die Höhle des Löwen.
Als Ruby den Schönheitssalon zwei Stunden später zusammen mit ihrer persönlichen Einkaufsberaterin wieder verließ, konnte sie der Versuchung nicht widerstehen, immer wieder ungläubige Blicke in die Spiegel zu werfen, die ihren Weg zum Ausgang säumten. Diese junge Frau da, das sollte wirklich sie sein? Ihre Nägel waren manikürt und in einem modischen Dunkelrot lackiert, die Augenbrauen gezupft, und das Make-up war so sparsam und geschickt aufgetragen, dass es völlig natürlich wirkte. Trotzdem wirkten ihre Augen größer und dunkler, ihr Mund voller und weicher, und ihr Teint war so rein und makellos, dass Ruby kaum den Blick von ihrem Gesicht losreißen konnte. Obwohl sie es Sander gegenüber nie zugeben würde, hatte sie, nachdem sie ihr anfängliches Unbehagen abgelegt hatte, die ausgedehnte Beautybehandlung in vollen Zügen genossen.
Die Stylistin, die ihr soeben wortreich dargelegt hatte, was für eine Art Garderobe Ruby ihres Wissens nach benötigte, holte kurz Luft und fuhr dann fort: „Erfreulicherweise sind die Kollektionen für die neue Saison größtenteils bereits eingetroffen, deshalb bin ich mir sehr sicher, dass wir das Geeignete für Sie finden. Und was das Brautkleid betrifft …“
Rubys Herz stolperte. Irgendwie war sie gar nicht auf die Idee gekommen, dass sie für die Trauung ein besonderes Kleid benötigen könnte.
„Es ist nur eine ganz normale standesamtliche Trauung“, wiegelte sie ab.
„Aber trotzdem ist es doch ein sehr besonderer Tag. Eine Frau wird sich ihr Leben lang daran erinnern, was sie an ihrem Hochzeitstag anhatte“, beharrte die Einkaufsberaterin.
Die Frau war einfach nur daran interessiert, möglichst viel Umsatz zu machen, das war schon klar. Deshalb hatte Ruby eigentlich keinen Grund, so emotional auf die Worte zu reagieren. Was sie bei der Trauung trug, war völlig unerheblich, weil weder sie selbst noch Sander jemals Lust haben würden, sich an ihren Hochzeitstag zu erinnern. Plötzlich hatte sie einen dicken Kloß im Hals. Aber warum? Sie war dreiundzwanzig Jahre alt und Mutter von zwei fünfjährigen Jungen. Die romantische Liebe war nur ein Wunschtraum, ein Märchen, eine bonbonfarbene Lüge, die sie längst durchschaut hatte. Die romantische Liebe war wie Schokolade, die für einen kurzen Moment wunderbar süß schmeckte auf der Zunge. Aber wenn man nicht aufpasste, machte sie süchtig und verleitete einen zu schlechten Angewohnheiten. Am besten machte man einen großen Bogen um sie und gab sich mit einer vernünftigen und schmackhaften Gefühlsdiät zufrieden. Wie etwa der Liebe, die sie ihren Söhnen entgegenbrachte oder ihren Schwestern. Das waren Gefühle und Bindungen, die fürs ganze Leben Bestand hatten, während die romantische Liebe zwischen Mann und Frau nicht mehr war als eine Illusion.
Die Zwillinge waren hellauf begeistert von der Ausstellung im Naturhistorischen
Weitere Kostenlose Bücher