Zum Heiraten verfuehrt
über alles im Leben seiner Enkel Bescheid. Und wenn es Grund gab zur Klage, hatte er sie zu sich zitiert, um ihnen ihre Fehler und Versäumnisse und kleinen kindlichen Vergehen vorzuhalten.
Seine Schwester und sein Bruder hatten in ständiger Angst gelebt vor ihrem Großvater, aber Sander, der Älteste und zukünftige Erbe, hatte gelernt, seinem Großvater die Stirn zu bieten. Die Kübel aus Hohn und Spott, die der alte Herr immer wieder über ihm auskippte, sollten dazu dienen, eine stolze Persönlichkeit zu formen und ihn zwingen, sich selbst zu behaupten. Das hatte man in seinem Elternhaus „Erziehung“ genannt. Gleichzeitig war sich sein Großvater nicht zu schade gewesen, Sanders Stolz mit Füßen zu treten, nur um sich selbst seine eigene Überlegenheit zu beweisen.
Der Aufenthalt in einem englischen Internat und das nachfolgende Studium waren für Sander eine willkommene Gelegenheit gewesen, den Schikanen seines Großvaters zu entfliehen. Doch als er nach Abschluss seines Studiums ins Familienunternehmen eingetreten war, waren die Konflikte auf einer anderen Ebene wieder aufgeflammt und hatten sich schnell verschärft.
Das Einzige, was seinen Großvater interessiert hatte, waren der Fortbestand der Dynastie und die Weiterführung des Familienunternehmens gewesen. Sohn und Enkel waren auf diesem Weg immer nur Mittel zum Zweck, nicht mehr und nicht weniger. Deshalb hatte sein Großvater schon sehr früh angefangen, mit Sander über Vorzüge und Nachteile diverser junger Erbinnen zu streiten, die Sander wegen einer möglichen späteren Eheschließung im Auge behalten sollte. Aber Sander hatte früh beschlossen, sich nicht wie sein Vater in eine Ehe drängen zu lassen, von der absehbar war, dass sie ihn unglücklich machen würde.
Über dieses Thema waren sie oft in erbitterten Streit geraten, weil sein Großvater immer wieder versucht hatte, Sander zu manipulieren und Begegnungen mit Frauen herbeizuführen, die er sich als Mutter des nächsten Erben wünschte. Am Ende hatte Sander kategorisch erklärt, dass er überhaupt nicht heiraten wollte.
Daraufhin hatte sein Großvater einen Tobsuchtsanfall bekommen und gedroht, ihn zu enterben. Sander, nicht weniger wütend, hatte ihn aufgefordert, dieser Ankündigung Taten folgen zu lassen. Er habe kein Problem damit, seinen Platz zu räumen, hatte er gesagt, ganz im Gegenteil. Weil er in diesem Fall eben bei der Konkurrenz einsteigen würde. Nach dieser Auseinandersetzung hatte sich die Situation für eine Weile entspannt, was Sander Anlass zu der Hoffnung gegeben hatte, dass sein Großvater endlich zur Vernunft gekommen sein könnte. Am Ende aber hatte sich herausgestellt, dass der alte Tyrann keineswegs daran dachte aufzugeben. Am Vorabend einer lange geplanten Geschäftsreise nach Manchester hatte Sander durch Zufall entdeckt, dass sein Großvater seine Abwesenheit nutzen wollte, um seine angeblich bevorstehende Verlobung mit der jung verwitweten Besitzerin einer anderen Reederei öffentlich zu machen und ihn so unter Druck zu setzen.
Natürlich hatte Sander seinen Großvater sofort zur Rede gestellt. Doch der alte Herr hatte keine Reue erkennen lassen …
Bei seiner Ankunft in Manchester war Sanders Zorn noch längst nicht verraucht gewesen. Seine Entschlossenheit, sich zu behaupten, war einer Unerschütterlichkeit gewichen, die in dem Entschluss gipfelte, nach seiner Rückkehr alle Brücken zu seinem Großvater abzubrechen und ein eigenes Unternehmen zu gründen. Zu diesem Zweck hatte er in Manchester kurz entschlossen die ersten Kontakte geknüpft.
Und in dieser hochexplosiven Stimmung war ihm Ruby über den Weg gelaufen. Er hatte die Situation noch heute vor Augen, wie sie ihn von der anderen Seite der Bar aus beobachtet hatte, eine junge Frau mit absichtsvoll zerzaustem Blondhaar, die glänzenden rosa Lippen zu einem provozierenden Schmollmund verzogen. Sie trug einen engen Minirock, der ihre langen schlanken Beine betonte, und ein hautenges, weit ausgeschnittenes Top, das den Ansatz ihrer festen kleinen Brüste enthüllte. Dabei hatte er nicht den geringsten Unterschied erkennen können zu den anderen jungen Frauen in dem Club.
Irgendwann im Verlauf des Abends hatte ihn ein Freund auf dem Handy angerufen, um ihn zu warnen, dass sein Großvater offenbar Wind von seiner geplanten Firmengründung bekommen hatte. Angeblich hatte er bereits Schritte eingeleitet, um ihn empfindlich zu treffen. Sander hatte keine Mühe gehabt sich vorzustellen, was das
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