Zum Heiraten verfuehrt
trat sie einen Schritt vor, um jedem ihrer Söhne eine Hand auf die Schulter zu legen. Und war völlig entwaffnet, als sie sah, dass Anna sie nicht nur freundlich, sondern auch zustimmend anlächelte.
Als Sander Ruby als seine Ehefrau vorstellte, wurde deutlich, dass auch ihre Heirat für Anna keine Neuigkeit mehr war. Fragte sich nur, was er seiner Familie und seinen Bekannten erzählt haben mochte. Was hatte er für einen Grund genannt, warum sie jetzt plötzlich hier auftauchten? Ruby wusste es nicht, aber es war nicht zu übersehen, dass Anna sich zumindest über die Anwesenheit der Zwillinge freute. Es war bestimmt keine allzu gewagte Annahme, dass Anna Sanders Söhne nach Strich und Faden verwöhnen würde.
„So, ab jetzt übernimmt Anna“, informierte Sander Ruby. „Sie kümmert sich um euch.“ Er sagte irgendetwas auf Griechisch zu Anna, bevor er die Eingangshalle durchquerte und hinter einer schweren Doppeltür verschwand.
Das war doch wohl kein Gefühl von Verlust, was sich da in ihr breitmachte? Aber was war es dann? Sie konnte unmöglich das Gefühl haben, verlassen worden zu sein! Und sich jetzt wünschen, dass Sander zurückkehren möge, weil sich ihre kleine Familie ohne ihn unvollständig anfühlte. Weil sie sich ohne ihn unvollständig fühlte? Auf gar keinen Fall!
Ruby stemmte sich gegen die verräterischen Gedanken, die sich in ihrem Kopf geformt hatten, gab sich alle Mühe, sie wegzuschieben. Aber ihr Echo hallte nach, obwohl sie sich daran erinnerte, wie sehr sie einst gelitten hatte, weil sie töricht genug gewesen war zu glauben, dass er sich etwas aus ihr machte.
8. KAPITEL
„Ich zeige Ihnen erst einmal Ihre Zimmer“, erklärte Anna, während sie mit Ruby und den Zwillingen die breite Marmortreppe hinaufging. „Und anschließend möchten Sie ja vielleicht eine Tasse Tee trinken, bevor Sie sich den Rest der Villa ansehen, aber das überlasse ich ganz Ihnen.“
In Annas Stimme schwangen Wärme und echte Freundlichkeit mit, sogar etwas Fürsorgliches , das Rubys Reserviertheit rasch zum Schwinden brachte.
Nachdem sie im ersten Stock angelangt waren, erstreckte sich vor ihnen ein langer Flur. Dieser Anblick veranlasste die Zwillinge, ihrer Mutter einen hoffnungsvollen Blick zuzuwerfen, aber Ruby schüttelte den Kopf. „Nein, hier drin könnt ihr nicht …“, begann sie, doch als sie sah, dass Anna das Gesicht zu einem breiten Lächeln verzog, unterbrach sie sich.
„Das ist jetzt ihr Zuhause, da können sie herumtoben so viel sie wollen, solange Sie es ihnen nur erlauben“, sagte Anna.
„Also gut, dann rennt schon los“, sagte Ruby, froh darüber, dass Anna klug genug war, um zu wissen, dass Kinder im Alter der Zwillinge einen starken Bewegungsdrang hatten, den sie unbedingt ausleben mussten. Beide Frauen schauten den Jungen nach, die mit lautem Geheul davonstürmten.
„Genauso war Sander in diesem Alter, nur dass …“ Anna unterbrach sich, ihr Lächeln verblasste.
„Nur dass … bitte was?“, hakte Ruby etwas ängstlich nach, weil sie befürchtete, irgendetwas Kritisches über ihre Söhne hören zu müssen.
Aber Anna legte ihr beruhigend eine Hand auf den Arm, fast so, als ob sie ihre Gedanken erraten hätte.
„Sie sind eine gute Mutter, das spürt man sofort. Was man von Sanders Mutter leider nicht behaupten konnte. Ihre Kinder waren für sie eine Last, die sie dauernd loszuwerden versuchte. Und das ist an den Kindern natürlich nicht spurlos vorübergegangen, besonders an Sander nicht.“
Annas ruhige Worte beschworen in Rubys Kopf ein Bild herauf, das sie eilig zu verdrängen versuchte. Es war das Bild eines unglücklichen, verletzten kleinen Jungen, der sich vergebens nach der Liebe seiner Mutter sehnte.
Als die Zwillinge außer Atem zurückkamen, wechselten Ruby und Anna das Thema. Und in dem Moment, in dem Ruby entdeckte, dass sie sich mit Sander ein Schlafzimmer und ein Bett teilen sollte, löste sich ihr Mitgefühl mit dem unglücklichen kleinen Jungen in Luft auf.
Woher rührte bloß diese Beklommenheit, die sie verspürte und die sich einfach nicht abschütteln ließ? Das fragte sich Ruby eine ganze Weile später, nachdem die Zwillinge im Bett waren und sie in der Küche bei einer von Anna zubereiteten Tasse Tee saß. Immerhin hatte Sander längst klargestellt, dass Sexualität in ihrer Ehe für ihn mit dazugehörte und dass er ihr Einverständnis voraussetzte, weil sie ja schließlich die Heirat gefordert hatte. Inzwischen war allerdings beiden klar,
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