Zum Krieger geboren: Mein Leben als Navy Seal (German Edition)
und unten mit Sand und Kordit bedeckt, flüchteten wir uns in den Unterstand. Mein Hemd war verschwunden, ich war rußverschmiert und meine Haare waren auf der linken Kopfseite angesengt. Ich sah aus wie Willy der Kojote, wenn ihm der Roadrunner besonders übel mitgespielt hatte. Während ich mich selbst abtastete und prüfte, ob noch alles an mir dran war, rief der SeaBee nach einem Sanitäter.
Ich stand im Unterstand, zitterte wie Espenlaub und stellte ein paar Berechnungen an. Der Explosionsradius einer 82-mm-Granate betrug fast 15 Meter. Jede Person in einem Umkreis von 30 Metern musste also vernünftigerweise damit rechnen, bei der Detonation vaporisiert, getötet oder zumindest schwer verwundet zu werden. Die erste Granate war jedoch nur 1,50 Meter von mir entfernt hochgegangen. Es hätte mich also voll erwischen müssen. Aber das war nicht passiert. Nichts war passiert. An meinem ganzen Körper war kein einziger Kratzer.
Dass ich überhaupt überlebt hatte, war schon erstaunlich. Die Chance, einen solchen Beinahe-Volltreffer ohne jede Verletzung zu überstehen, war statistisch gesehen gleich null.
Dies war der Moment, an dem ich dem Atheismus abschwor.
Meine Bekehrung war keine Erleuchtung oder Offenbarung, sie war vielmehr das Ergebnis einer wissenschaftlichen Überlegung. Bis zu diesem Moment war Gott für mich eine unwahrscheinliche Hypothese gewesen. Diese Hypothese war jetzt jedoch durch ein Experiment erhärtet worden. Eine Mörsergranate hatte mir die Beine unter dem Arsch weggezogen, mich dann jedoch lebendig und unverletzt ausgespuckt.
Mein Rufzeichen in Beirut lautete »Bad Karma«. Obwohl ich zu dieser Zeit noch nicht »kosmisch aktiviert« war, akzeptierte ich diesen Kampfnamen angesichts dessen, was es bedeutete, ein Kampfsoldat zu sein. Bei unserem Spiel ging es um Leben und Tod. Bei meinen Einsätzen konnte ich jederzeit getötet werden, so wie jeder andere Mensch in dieser Stadt auch. Ich wusste, dass das Karmaschwert in beide Richtungen ausschwang.
Unsere Taktiken entwickelten sich im Lauf des Sommers immer weiter. Als die Milizen Hooterville mehr und mehr zu ihrem Einsatzgebiet machten, wurden die Stellungen der Marines außerhalb des Flughafen-Schutzzauns immer häufiger angegriffen. In den Slums in der Umgebung des BIA trieben immer mehr Scharfschützen ihr mörderisches Handwerk. Die ständig größer werdende Schar der »bösen Jungs« liebte es zudem, die Amerikaner in tödliche Hinterhalte zu locken, ob sie nun zu den Drusenmilizen, der PLO, der Hisbollah oder der Amal gehörten.
Am Haupteingang zum Flughafen hing jetzt eine große blau und gold grundierte Sperrholzplatte, die die Darsteller der Fernsehserie Hill Street Blues signiert hatten und auf der stand: »Hey, passt auf euch auf da draußen!« Direkt daneben lag der Checkpoint, wo sich ein Marine-Wachmann vergewisserte, dass man seine Waffen entladen hatte, bevor man den amerikanischen Stützpunkt verließ. Wenn ich und meine Männer an ihm vorbeigingen, öffneten wir die Verschlüsse unserer Gewehre, um zu zeigen, dass wir diese Vorschrift befolgten. Der Marine schaute uns dann mit einem besonderen Blick an, der wohl sagen sollte: »Ihr Jungs habt eure Waffen doch wirklich entladen, nicht wahr?« Ich lächelte immer so unschuldig zurück, wie ich nur konnte. Ich würde jedenfalls der Mutter eines SEALs aus meinem Platoon nicht einen Brief schreiben, in dem ich ihr erklärte, dass ich der Offizier sei, unter dessen Kommando ihr Sohn gefallen sei, als er mit ungeladenem Gewehr durch Westbeirut stiefelte. Ungeachtet der Vorschriften der multinationalen Truppe war es ein Dauerbefehl der SEALs in Beirut, an solchen Checkpoints ihre geöffneten Waffen vorzuzeigen und dann nach der ersten Kurve durchzuladen. Geladen und gesichert, wie es sich gehörte.
Die nachrichtendienstlichen Berichte wiesen darauf hin, dass die Hisbollah in Wohnhäusern Beobachtungsstellungen und Unterstände einrichtete, was es uns weit schwerer machte, sie aufzuspüren und anzugreifen. Scharfschützen schossen oft aus den Fenstern von Wohngebäuden auf Marines. Sie vertrauten darauf, dass die amerikanischen Friedenssicherer sich scheuen würden, auf einen Wohnblock voller Frauen und Kinder zu feuern. Als die Angriffe auf die CPs immer mehr zunahmen, wurden die Fußpatrouillen allmählich zurückgeschraubt oder ganz eingestellt und Fahrzeugpatrouillen wurden die Regel. Wir änderten ständig unsere Routen durch die Stadt. Wie üblich führte
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