Zum Krieger geboren: Mein Leben als Navy Seal (German Edition)
genau zu analysieren.
Jeder von uns feuerte Zehntausende von Schüssen ab. Manchmal spielten wir an einem einzigen Tag 50 verschiedene Szenarien durch. Wenn wir nicht im eigentlichen Kill House waren, übten wir nebenan in einem ausgeklügelten Schießkino.
Die Ausstattung unserer Übungsräume wurde immer unübersichtlicher und raffinierter. Inzwischen gab es dort Möbel, Sofas und Bücherregale, hinter denen sich immer wieder böse Jungs versteckten. Auf der Rückseite der Pappkameraden, die eine Zielperson darstellten, waren an »kritischen« Stellen 8 mal 13 Zentimeter große Karteikarten angebracht, die die »Tötungszonen« des menschlichen Körpers markierten. Für jede abgefeuerte Kugel, die eine dieser Karten verpasste, mussten wir unseren Kameraden einen Kasten Bier kaufen.
Bald sollten wir Ziele in mehreren Räumen hintereinander bekämpfen. Dies machte es erforderlich, dass die Schützen die jeweilige Raumflucht in einer Art improvisiertem »Flow« oder »Fluss« durchkämmten. Das operative Säubern von Räumen erforderte große Präzision, eine fast Zen-mäßige Wahrnehmung der Gesamtsituation und eine vollkommene Beherrschung der eingesetzten Waffen. Schützenpaare gruppierten sich und trennten sich wieder, während sich das Team die Gänge und Räume entlangbewegte. In dieser Kunst des Fließens durch das Zielgebiet war das SEAL Team Six unerreicht. Dies wurde erst durch das extreme Trainingsniveau möglich. Dabei waren es nicht nur die unzähligen Raumsäuberungsübungen. In einem einzigen Jahr verfeuerten die Operators des SEAL Team Six mehr Patronen als das gesamte United States Marine Corps zusammen. Was das CQB in multiplen Räumen anging, gab es niemanden auf der Welt, der uns auch nur entfernt das Wasser reichen konnte.
Je mehr unsere Fähigkeiten zunahmen, desto vielfältiger und komplizierter wurden die Zielobjekte. Wir trainierten auf Schiffen, in Flugzeugen und auf Öl- und Gasplattformen vor der Küste. Wir übten in Bussen und Personenzügen. Unsere Trainingsübungen wurden allmählich zu vollgültigen Missionsprofilen, wobei die Offiziere des Green Teams unter den wachsamen Augen von Court und seinen Gehilfen für die Planung und Befehlsgebung der jeweiligen Operation zuständig waren.
Es gab in diesem Kurs nicht nur ein einziges Operational Readiness Exam, sondern Dutzende. Jede nur mögliche Kombination von Einsickerungs- und Abzugsmethoden wurde für die unterschiedlichsten Einsatzgebiete durchgespielt. Das SWAT-Team einer Großstadt kann sich einfach in einen Bus setzen und zum Einsatzort fahren. Wir dagegen trainierten Operationen, die in »feindlich kontrolliertem Gebiet«, also quasi im Hinterhof des Gegners stattfanden. Wir mussten nicht nur dort einsickern und die Geiseln befreien, sondern danach auch noch unseren Abzug erkämpfen. Unsere Übungsoperationen spiegelten diese Operationsanforderungen wider. In den acht Monaten führten wir in jeder vorstellbaren Umgebung die unterschiedlichsten SEAL-Missionen durch: direkte Kampfeinsätze, Erkundung und Überwachung, Operationen gegen Infrastrukturen, Anti-Terror-Einsätze und Geiselbefreiungen. Sean, Moose, Rick und ich planten und befehligten jeder ein halbes Dutzend Missionen. Der Fehlschlag einer solchen Übungsoperation führte zur sofortigen Entlassung aus dem Kurs. Aber wir hielten alle durch, zumindest mehr als die Hälfte von uns. Acht Monate nach Beginn des Lehrgangs feierten die übrig gebliebenen zwölf Operators ihren Erfolg mit einem wilden Fest auf einer Ölplattform, die wir gerade »besetzt« hatten.
Der Abend nach unserer letzten Operation war zufällig auch Traylor Courts Geburtstag und sein letzter Tag in dieser Kommandoeinheit. Bei den SEALs gibt es eine Sache, die man zu allen Zeiten vor seinen Kameraden geheim hält: Sein Geburtsdatum. SEAL-»Geburtstagsfeiern« sind grundsätzlich nicht sehr angenehm. Ein Green-Team-Ausbilder hatte jedoch »durchsickern« lassen, dass Court heute Geburtstag hatte. Wir stellten danach sicher, dass es ein ganz besonderes Ereignis werden würde. Sobald die Ölplattform in unseren Händen war, ergriffen wir Court, legten ihm Handschellen an und fesselten ihn dann mit Klebeband an einen Stuhl.
Danach hielten wir ein kurzes Femegericht ab. Die Anklagepunkte lauteten: die unmenschliche Behandlung von Untergebenen, Grausamkeit gegenüber Kaulquappen, die Imitation eines Pavians und ein paar weitere Kapitalverbrechen. Court wurde sofort schuldig gesprochen und zu einem »Shot
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