Zum Nachtisch wilde Früchte
die Tropfen auflösten zu unsichtbaren kleinen Wasserwölkchen.
Boltenstern ging hinter ihr und pfiff leise vor sich hin. Er beobachtete das Spiel ihrer Muskeln unter der bronzenen Haut. Das Federn der Beine und Hüften, die leichte Drehung des Beckens, das Zucken der großen Rückenmuskeln bis hinunter zum Gesäßansatz.
Sie ist unbeschreiblich schön, dachte er. Sie ist ein wundervolles, wildes Tier. Aber sie ist zu bändigen, und sie spürt, daß sie jetzt ihren Willen verliert.
Er blieb stehen und ließ sie ein paar Schritte vorgehen.
Ein heißer Tag wird es noch, empfand er. Ein schwarzer Panther ist ein Kätzchen gegen sie. Wir alle haben sie verkannt und Erlanger beneidet. Man hätte ihn bedauern müssen … er war von ihr gefressen worden!
Mit gesenktem Kopf stieg Petra abwärts. Kein Wort wechselten sie miteinander. Die Erniedrigung war so vollkommen, daß es keiner Worte mehr bedurfte. Wie eine Sklavin trieb er sie hinunter, und sie hatte Angst vor dem Augenblick, da sie den eigenen Garten betraten und untertauchten in den verwilderten Weinberg.
Als sie das Dach ihres Hauses sah, blieb sie stehen und ließ Boltenstern an sich herankommen. Er ging an ihr vorbei, öffnete das alte, rostige Gittertörchen und betrat den in der Sonne dampfenden Garten. Das noch nasse hohe Gras klatschte gegen seine Hosenbeine.
Dann lehnte er sich gegen eine der alten, morschen Stützmauern, die die Weinhänge abfingen, und betrachtete Petra Erlanger, die langsam, zögernd, eine ungewisse Gefahr ahnend, durch das Tor schritt. Sie drückte das nasse Bündel ihrer zusammengeknüllten Kleider gegen ihre Brust, und sie sah ängstlich und ergreifend keusch aus, als wäre sie die aus dem Paradies verjagte Eva, die das Land der Erkenntnis betritt.
Boltenstern wartete, bis Petra vor ihm stand. Er lächelte, und dieses Lächeln kam Petra auf einmal schrecklich vor. Er zog ihr das nasse Bündel von der Brust, und als sie sich daran klammerte, als sei es Rettung vor dem Ertrinken, riß er es mit einem Ruck weg und warf es in den verwilderten Wein. Mit der gleichen stummen Kraft ergriff er sie, und sein Lächeln verstärkte sich, als sie um sich schlug, zu kratzen begann, ihn in den Unterleib treten wollte, und sich wehrte wie eine Bestie. Er hob sie hoch, so wild sie auch strampelte, und warf sie in das hohe nasse Gras. Dort rollte sie sich zusammen wie ein Igel, aber Boltensterns verbissene Kraft zerbrach innerhalb kürzester Zeit allen Widerstand. Seine Hände klatschten auf ihre nasse Haut, und ineinander verkrampft kollerten sie über die Erde, die nach Moder und Weinlaub roch, nach Lavendel und Nelken.
Der Sieg Boltensterns war vollkommen.
Man sprach nicht darüber, auch von dem Gewitter wurde nie mehr ein Wort gesagt, aber nun waren die Tage wie die Nächte, glühend und weit wie der Himmel über Meer und Insel.
Und Petra Erlanger entdeckte in sich ein Gefühl, das sie nie gekannt hatte: Glück in der Gegenwart Boltensterns, und Sehnsucht, wenn sie ihn nicht sah. Die Niederlage ihres Wesens, zu herrschen und alles Untertan zu machen, die Lust am Spiel mit dem Gefühl, verwandelte sich vor ihren eigenen staunenden Augen in eine Seligkeit des Geborgenseins, die nur noch ab und zu, wie ein fernes Wetterleuchten, vom Haß durchzuckt wurde, besiegt worden zu sein.
Aber etwas Neues kam hinzu, und darüber schwieg sie völlig. Nur nachts, wenn Boltenstern schlief – oder es sah so aus, als ob er schliefe, denn er war wach und beobachtete Petra verstohlen –, saß sie manchmal vor dem Spiegel und starrte sich an.
Werde ich wahnsinnig, dachte sie dann. O Himmel, ist es möglich, daß ich irrsinnig werde? So sieht doch kein Mensch aus, dessen Geist sich verwirrt! So denkt doch kein Wesen, das auf der Grenze der Vernunft steht!
Sie beugte sich vor und versuchte, in ihren Augen, in ihrem Blick zu lesen. Angst umkrampfte ihr Herz … und Angst war auch das einzige, was ihr im Spiegel entgegensah.
Und doch kehrte es immer wieder … nachts … morgens … manchmal auch plötzlich am Tag …
Nur ein leichter Anfall. Ein Schwindel fast, weiter nichts. Eine merkwürdige Schwerelosigkeit. Der Himmel wurde blauviolett. Die Bäume glänzten wie Silber. Das Gras war aus Glas. Die Sonne war wie eine aufgebrochene Orange. Das Meer hatte plötzlich eine Stimme und sang. Silberhell.
Nur Sekunden dauerten diese Visionen. Dann stand sie meistens regungslos im Garten, starrte auf die herrlichen Bilder, und so schnell wie sie gekommen waren,
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