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Zum Nachtisch wilde Früchte

Zum Nachtisch wilde Früchte

Titel: Zum Nachtisch wilde Früchte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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verkniffen. »Du wunderst dich über deinen alten Vater, was? Ach Schätzchen, das Leben ist verworren. Wenn wir einmal viel Zeit haben, werde ich dir allerhand erzählen können. An dir habe ich gesehen, wie die Zeit gerast ist. Ich habe dich noch in Gedanken an der Hand, wie du mit einer großen Tüte voller Süßigkeiten vom ersten Schultag nach Hause gingst … und dann die Ferien auf Norderney, unsere erste lange Schiffsreise nach Schweden … die Konfirmation, als sich Tante Ella ein Glas Rotwein über das weißseidene Kleid schüttete … Und man blinzelt etwas mit den Augen … sieht genauer hin … und das Kind ist erwachsen! Wo sind die Jahre hin? Und jetzt ist es auch für mich noch Zeit genug, an das eigene Glück zu denken. Noch bin ich kein Tattergreis …«
    »Warum versuchst du, dich zu entschuldigen, Paps?« Jutta beugte sich vor und strich Boltenstern über das braune Gesicht. »Du wirst Tante Petra heiraten?«
    »Ja«, sagte Boltenstern fest.
    »Es freut mich, wenn du mit ihr glücklich werden kannst.« Sie lehnte sich zurück und nagte an der Unterlippe. »Wegen einer Hochzeit bin auch ich gekommen. Werner und ich …«
    »Ach!« Boltenstern spürte einen heißen Stich im Herzen. Die Zeit arbeitet für mich, dachte er. Es war wirklich das beste, wegzufahren und in Düsseldorf alles sich selbst zu überlassen. »Hat er endlich den Mut gefunden?«
    »Ich habe ihn gefunden, Paps.« Es klang sehr gefaßt, und plötzlich wußte Boltenstern, was Jutta damit sagen wollte. Wie jedem Vater war dieser Gedanke auch ihm schmerzlich. Der letzte Rest der Kindheit war genommen – nicht er, der Vater, hatte ein ausschließliches Recht auf sein Kind, sondern ein anderer Mann zog das junge Leben zu sich hinüber. Man kommt sich merkwürdig einsam vor, verlassen, weggestoßen, verraten.
    »Du bist alt genug, Spätzchen«, sagte er mit belegter Stimme. »Aber hätte das nicht noch Zeit gehabt?«
    »Nein, Paps.« Auch das klang sicher und fest. »Es hat sich vieles dadurch geändert …«
    Boltenstern sah seine Tochter fragend an, aber er schwieg. Man soll nicht nach Dingen fragen, die in der Vergessenheit besser ruhen. Er trank seinen Wein, aß bedächtig einen Kanten des weißen Brotes und schnupperte zum Haus hin, woher der Duft gebratenen Fleisches zog. »Wann wollt ihr heiraten?« fragte Boltenstern endlich. Er zerschnitt damit eine Spannung, die plötzlich zwischen ihnen gelegen hatte, ein Mißtrauen, das in der Nacht geboren wurde, als Jutta vor der Leiche des erwürgten Richard Erlanger stand.
    »Zu Weihnachten, Paps. Und du?«
    »Wir halten das Trauerjahr ein … der Gesellschaft wegen. Ich weiß, so etwas ist unmodern und zwischen Petra und mir auch Dummheit, aber man muß in gewissen konventionellen Formen leben – unsere Stellung verlangt es eben.« Boltenstern wischte mit seiner großen gepflegten Hand durch die von Rosenduft und orangenem Abenddunst gesättigte Luft. »Schluß damit! Reden wir morgen darüber. Ich freue mich so, daß du hier bist! Und ich weiß, daß auch Petra sich freut.«
    »Du hast ein völlig schiefes Bild von unserer Generation«, sagte Major a.D. Konrad Ritter in diesen Tagen zu seinem Sohn, als sie abends auf der Couch zusammensaßen und Ritter die Plakate begutachtete, die zum ›Treffen deutscher Divisionen‹ in Nürnberg überall angeklebt werden sollten.
    Es war ein schönes, ein dekoratives Plakat. Unter einer wehenden Fahne lag, eingebettet in saftiges Gras, ein deutscher Stahlhelm.
    Rot leuchtete die Schrift. Major a.D. Ritter war stolz, daß man seinen Vorschlag in so vollendeter graphischer Manier verwirklicht hatte. Zwar hatte er vorgeschlagen, im Hintergrund ein Birkenkreuz zu zeigen, aber – und das sah er ein – der Festausschuß hatte gemeint, dieses Kreuz sei zu trist für ein Plakat und erinnerte an die Millionen Toten. Man wolle aber keine Totenfeier veranstalten, sondern ein fröhliches Kameradentreffen. Natürlich mit einer Gedenkminute, Trommelwirbel und stahlhartem Blick … aber sonst … Ritter erkannte das voll an, und das Birkenkreuz wurde gestrichen.
    »Ihr denkt immer, wir seien die ewigen Gestrigen!« erklärte Konrad Ritter, als Werner ihn kritisch und abwehrend ansah. »Dem ist nicht so, mein Sohn! Aber ein Volk ohne Tradition, ein Volk ohne das militärische Bewußtsein, ein Volk ohne völkischen Herzschlag … das ist wie eine Maschine, die Nähnadeln ohne Öhre produziert! In zwei Weltkriegen, die wir nur durch Verrat verloren, haben wir die

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