Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Zum Nachtisch wilde Früchte

Zum Nachtisch wilde Früchte

Titel: Zum Nachtisch wilde Früchte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
Vom Netzwerk:
zerrannen sie wieder, als habe jemand ein Kaleidoskop geschüttelt und die zusammengesetzte Pracht zerstört. Dann war das Gras wieder grün, der Himmel stahlblau, die Sonne ein Feuerball, das Meer rauschte tief unten gegen die Klippen. Und Petra Erlanger stopfte die Faust in den Mund, biß auf die Knöchel und schrie innerlich mit der ganzen Angst eines Menschen, der seinen Tod in allen Einzelheiten vor sich sieht.
    Wahnsinn, dachte sie. Das ist er! So sieht er aus! Die Welt verändert sich. Das Meer kann singen, und die Sonne kann sich schälen wie eine Apfelsine.
    Wahnsinn! Wahnsinn! Wahnsinn!
    Nach solchen Sekunden der Visionen rannte sie durch den verwilderten, hitzeflimmernden Garten, verkroch sie sich wie ein krankes Tier und wartete auf die weiteren Sekunden der Weltveränderung.
    Aber meistens war es nur ein einzelner Anfall. Sie kam dann zurück zu Boltenstern, als sei nichts geschehen, aber er merkte es an ihrer besonders leidenschaftlichen Hingabe, daß die Angst in ihr fraß.
    Nur winzige Mikrogramm-Mengen LSD verwandte Boltenstern für diesen Plan einer langwierigen, systematischen Zerstörung der Persönlichkeit Petra Erlangers. Ob Petra ein Glas Mineralwasser trank, ob sie abends den köstlichen Rotwein probierte, ob sie sich eine Zitronenlimonade von Boltenstern machen ließ … immer waren winzigste Mengen LSD in den Flüssigkeiten, veränderten in Sekundenräuschen die Welt Petras und pflanzten ein Grauen vor sich selbst in ihre Seele, das einmal – Boltenstern rechnete mit gut einem Jahr – zu einer echten Psychose, zu einem richtigen Wahn sich auswachsen würde.
    In einem Jahr, wenn er Petra geheiratet hatte und Besitzer der Wollhagen-Werke war.
    Eines Tages, völlig unverhofft und ohne Anmeldung, traf Jutta auf Rhodos ein und stand plötzlich Petra Erlanger gegenüber, die wie immer nackt durch den Garten ging und Rosen für den Abendtisch schnitt.
    Die Begegnung war peinlich, denn sie ließ zwischen den beiden Frauen keine Frage mehr offen, wie das Verhältnis zwischen Boltenstern und Petra Erlanger war.
    »Dein Vater wird sich freuen, wenn du plötzlich am Tisch sitzt«, sagte Petra nach den ersten Minuten eines wiederentdeckten Restes von Scham. »Warum hast du nicht angerufen?«
    »Ich wollte Paps überraschen.«
    »Was dir sicherlich vollkommen gelingt.« Petra lächelte etwas sauer. Sie sah an sich herunter und nickte, als Jutta schwieg. »Ja, so ist das, Jutta –«, sagte sie langsam. »Du bist kein Kind mehr … und jeder Mensch, wenn er allein in seiner eigenen kleinen Welt ist …«
    »Warum entschuldigst du dich?« unterbrach Jutta sie. Mit Nachdruck vermied sie es, Petra Erlanger anzusehen, und blickte hinunter zu den spielzeugkleinen Häusern des Dorfes, über dem der rote Schimmer des Abends lag. »Es ist meine Schuld. Ich hätte wirklich anrufen sollen. Zumindest unten vom Dorf.«
    »Ja, es wäre vielleicht besser gewesen.« Petra Erlanger hielt den Rosenstrauß vor sich, als könne er ihre Nacktheit verdecken. »Aber nun ist es geschehen …«
    Sie wandte sich zum Gehen, und Jutta folgte ihr langsam, die Geschmeidigkeit und Schönheit ihres braunen Körpers bewundernd. Plötzlich, als sie die Terrasse des Hauses sah, blieb sie stehen.
    »Läuft … läuft Paps auch so herum?« fragte sie unsicher. »Vielleicht gehst du vor und sagst ihm, daß ich gekommen bin. Ich möchte Paps nicht so … so sehen …«
    Petra Erlanger lachte leise. Es war nicht zu erkennen, ob es ein freundliches, ironisches oder böses Lachen war.
    »Dein Vater ist immer ein Gentleman«, sagte sie dann. »Außerdem ist es ihm unangenehm, daß er einen Bauchansatz hat.«
    Jutta schwieg. Sie spürte die Spannung, die hier in dem abgeschiedenen Paradies herrschte. Zwei Menschen genügen schon zur Hölle, dachte sie. O Gott, Paps … wie soll das alles noch werden?
    Boltenstern war ehrlich erfreut, als er seine Tochter plötzlich auf der Terrasse stehen sah. Er lief ihr entgegen, umarmte sie, drückte sie an sich, küßte sie und benahm sich so, wie sich alle Väter in der Freude benehmen, wenn ihre Tochter zu Besuch kommt. Er holte herrlichen, goldgelben Wein und gebrochenes, schneeweißes Brot, und Petra Erlanger war so klug, die beiden allein zu lassen und im Haus für das Abendessen zu sorgen.
    »Was macht Düsseldorf?« sagte Boltenstern und sah seine Tochter liebevoll an. »Hier höre und erfahre ich nichts. Ich lebe wie Adam.«
    Jutta nickte. »Eva kam mir ja entgegen …«
    Boltenstern lächelte etwas

Weitere Kostenlose Bücher