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Zum Nachtisch wilde Früchte

Zum Nachtisch wilde Früchte

Titel: Zum Nachtisch wilde Früchte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Klatschen und einem dreimaligen zackigen Hoch! Hoch! Hoch! belohnt wurde. Dann folgte ein Erinnerungsbericht über den Brückenkopf am Bug, der Major, der damals vier Tage lang mit neunundsiebzig Landsern eine ganze sowjetische Brigade aufhielt, war zugegen und erhielt ein dreimaliges, klirrendes Hurra! Hurra! Hurra! – Aber als dann Major Konrad Ritter das Podium bestieg und eine Rede begann über die Erfordernisse, Deutschlands Jugend wieder für den Dienst unter der Fahne zu interessieren, verließ Werner Ritter den Saal, weil es einfach eine Welt der Gespenster war, über die der Modergeruch von Millionen Gräbern schwebte.
    Man hätte doch das Kreuz auf das Plakat setzen sollen, dachte er, als er die Tür hinter sich zuzog. Sie feiern das Heldentum … und 55 Millionen sind dafür elend krepiert.
    Was geht bloß in diesen Gehirnen vor?
    Er fuhr zum Polizeipräsidium und kam gerade zur rechten Zeit.
    Kriminalrat Lummer, das ›Kotelett‹, obgleich Chef der Mordkommission, hatte sich in eine Aktion eingeschaltet, für die die Sittenpolizei und das städtische Ordnungsamt verantwortlich zeichneten. In einer Blitzrazzia mit zehn ›Grünen Minnas‹ und allen verfügbaren Funkwagen hatte man von den Plätzen und Straßenecken, den Parkbänken und aus den Bedürfnisanstalten die ›nächtlichen Wanderer‹ eingesammelt. Nun saßen ungefähr neunzig langmähnige, blasse, schmutzige Gammler, Jungen und Mädchen, auf den langen Bänken im Präsidium, protestierten gegen die Verhaftung, gegen das Rauchverbot, gegen die Behandlung, legten sich auf die Flure und waren gerade dabei, einen Sitzstreik zu veranstalten, als Werner Ritter eintraf.
    »Was ist denn hier los?« fragte er und sah über die Knäuel der langmähnigen Gossentypen. Vier Jungen und drei Mädchen lagen der Länge nach auf dem Rücken mitten im Flur, und einige Polizisten waren dabei, sie an den Füßen wegzuziehen wie nasse Säcke.
    »Ein Aufmarsch von Deutschlands Hoffnung und Zukunft!« sagte Kriminalrat Lummer sarkastisch und hatte Sehnsucht nach einer seiner gefürchteten Zigarren. Mit dem Einzug der neunzig Gammler roch es im Präsidium plötzlich nach Schweiß, Schmutz und Kloake. Mit sichtlicher Wonne ließen die Verhafteten ihre Winde ab, und keiner konnte sie daran hindern. Es war eine billige, aber wirksame Note des Protestes.
    »Sie stinken wie die Böcke!« sagte Ritter und stieß einen Gammler auf die Bank zurück, der zu ihm gekommen war und ihn anschrie, er müsse scheißen, und wenn man ihn nicht zum Lokus ließe, würde er mitten im Flur abprotzen. »Warum hat man sie einkassiert?«
    »Die Sitte ist da auf eine tolle Spur gekommen, Ritter!« Dr. Lummer zog Werner in sein Büro. Es war wohltuend, den Gestank nicht mehr zu riechen. »Ich habe ein paarmal versucht, Sie zu erreichen. Waren wohl im Kino?«
    »So ähnlich. Mein Vater hat mich zu einer Sitzung des Bundes deutscher Divisionen mitgenommen.«
    »Hochinteressant, was?«
    »Ergreifend.« Werner Ritter wartete, bis sich Dr. Lummer eine seiner Zigarren angezündet hatte, die man auch im Präsidium ›Räucherkerzen‹ nannte. Mit ihnen war es leichter, die Umgebung zu ertragen. Mit dem Rauchen dieser Zigarren hatte Dr. Lummer angefangen, als man eine Leiche exhumierte. Um den schrecklichen Verwesungsgeruch nicht einzuatmen, hatte er sich diese Sorte Zigarren angesteckt. Nun hatte er sich so an sie gewöhnt, daß sie zu ihm gehörte wie eine Brustwarze zur Brust.
    »Die Sitte hat in einem Lokal in der Altstadt sieben Pärchen ausgehoben, die auf dem Teppich saßen und wie Mondsüchtige aussahen. Sie warten jetzt in einem Nebenzimmer. Nummer 176. Als die Beamten sie ansprachen, erzählten sie von einem Flug in die Stratosphäre, von Besuchen auf anderen Sternen, von einem See, in dem goldene Elefanten baden …«
    Durch Werner Ritter lief ein leichtes Zittern. Sein Mund zuckte plötzlich.
    »LSD«, sagte er leise.
    »Ich wußte, daß ich Sie hocherfreuen könnte. Genau das scheint es zu sein. LSD oder Meskalin oder Psilocybin – was die Brüder da geschluckt haben, ist noch nicht heraus! Auf jeden Fall sind unsere Ärzte und Chemiker wild geworden. Sechs sind dabei, die sieben Pärchen nach allen Regeln der chemischen Kunst zu durchforschen. Es scheint aber, daß sie LSD in sich haben. Die Sitte das hören – und los! Sie haben alles aufgesammelt, was sich da herumdrückte. Oberrat Plüger leitet selbst die Verhöre … sollten die Kollegen von der Sitte auf LSD stoßen, so bringen

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