Zum Nachtisch wilde Früchte
sie uns die Gammler herüber. Warten wir also ab …«
Sie warteten eine Stunde, rauchten und riefen ab und zu bei Oberrat Plüger an, wie die Aktien ständen. Die sieben Pärchen in Zimmer 176 hatten mittlerweile gestanden. Von einem Mann im Hofgarten hatten sie LSD gekauft.
»Na also!« sagte Dr. Lummer sarkastisch. »Nun ist's auch in Düsseldorf! Wurde Zeit, mein Lieber. Als Landeshauptstadt darf man nicht zurückstehen. Mir graut nur davor, was alles auf uns zukommt. Jeder kleine Mord wird jetzt auf doof gespielt werden. ›Ich war im Rausch, Herr Kommissar!‹ – Das wird eine Scheiße, Ritter!«
Gegen 23 Uhr führten zwei Polizisten einen großen, hageren Bengel in Dr. Lummers Zimmer. Die Haare hingen ihm in Locken bis auf die Schultern, er trug enge, hellblaue Leinenhosen, ein kariertes Hemd, eine Kunstlederjacke und stank nach Wermut. Mit heruntergezogenen Mundwinkeln sah er Dr. Lummer und Werner Ritter an und rülpste aus Protest.
»Prost!« sagte Dr. Lummer gemütlich. »Auch furzen kannst du, mein Junge. So intensiv wie Leichengeruch kannste es doch nicht … und den überdeckt meine Zigarre! Also, genier dich nicht. Drück ab!«
Der Gammler sah sich um. Die Polizisten waren wieder gegangen und standen nun draußen auf dem Flur vor der Tür. Er war allein, und das kam ihm plötzlich unheimlich vor. Auch benahmen sich die beiden Kriminaler anders als die von der Sitte, und das Wort Leichengeruch war auch unangenehm.
»Ich protestiere!« sagte der Gammler erst einmal.
»Das steht dir auch zu.« Dr. Lummer nickte. »Nach dem Grundgesetz kann jeder gegen eine ungerechte Behandlung protestieren! Ich nehme den Protest zur Kenntnis! Weiter!«
»Was wollt ihr überhaupt? Ich stehe ahnungslos im Hofgarten an einem Baum und pinkele, und da kommt so ein Bulle und kassiert mich! Darf man in Deutschland nicht mal mehr pinkeln?«
»Von mir aus kannst du einen Wasserfall spielen!« Dr. Lummer gab Werner Ritter unter dem Tisch einen leichten Tritt gegen das Schienbein. »Aber du scheinst gar nicht zu wissen, wo du bist!«
»Im Präsidium.«
»Hier im Zimmer –«
»Ich denke, Sitte …«
»Nein, mein Junge«, sagte jetzt Ritter kühl. »Mordkommission.«
Der Gammler wurde etwas bläßlich unter seiner schmutzigen Haut. Mit einer mädchenhaften Bewegung strich er sich die Locken aus dem Gesicht.
»Damit habe ich nichts zu tun! Das ist ein Irrtum! Ich heiße Bernd Haskow. Mein Vater ist Direktor bei Rheinrohr …« Er sah von Dr. Lummer zu Werner Ritter, und plötzlich hatte er Angst. »Was wollen Sie denn von mir? Mordkommission! Das ist ein Irrtum!«
»Weiß dein Vater, daß du als Gammler im Hofgarten herumstrolchst?«
»Mein Vater ist dauernd unterwegs. Jetzt ist er seit sechs Wochen in Kanada.«
»Und deine Mutter?«
»Meine Eltern sind geschieden.«
»Und warum gammelst du?«
»Mich ekelt dieses bürgerliche Leben an!«
»Die typische Wirtschaftswunderpflanze!« Dr. Lummer blies den Rauch seiner Zigarre ins Zimmer. Der Gammler hustete. Gegen Lummers Zigarren kam keiner an.
Werner Ritter beugte sich etwas vor.
»Was du von der Welt und der Gesellschaft hältst, ist mir wurscht!« sagte er laut und scharf. »Aber daß du LSD verkaufst …«
»Nein!« sagte der Gammler Bernd Haskow. »Das tue ich nicht!«
»Junge, sei kein Hosenscheißer! Auf Zimmer 176 liegen sieben Pärchen, die LSD getrunken haben. Einer liegt im Sterben. Und deshalb biste auch bei der Mordkommission! Du hast ihnen das LSD verkauft! Für 50 Mark das Blättchen.«
»Das ist gelogen!« schrie Bernd Haskow. »Sie haben nur 25 Mark bezahlt!«
»Danke!« sagte Ritter und lächelte. Über das Gesicht des Gammlers zog helle Röte. Von diesem Augenblick an haßte er den Kriminalassistenten. Dr. Lummer beugte sich zum Ohr Ritters.
»Ein klarer Erfolg – aber außerhalb der Legalität! Suggestivfragen sind nicht erlaubt! Wenn der einen guten Anwalt besorgt, nimmt der Sie auseinander!«
»Gib mir mal die Streifen her«, sagte Ritter und stand auf. Bernd Haskow wich zur Tür zurück, aber Ritter kam nach und schüttelte den Kopf. »Junge, mach doch keinen Ärger. Ich kann dich ausziehen lassen, und ein Arzt wird jede Körperöffnung von dir nachsehen! Was wir finden wollen, finden wir. Vor allem, wenn wir wissen, daß du das bei dir hast, was wir suchen. Also, Bernd …« Ritter streckte seine rechte Hand offen hin. »Sei kein störrischer Esel … her mit den Streifchen.«
Der Gammler zögerte eine Sekunde. Dann bückte er sich,
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