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Zum Nachtisch wilde Früchte

Zum Nachtisch wilde Früchte

Titel: Zum Nachtisch wilde Früchte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Stille hinein, die folgte, als der Sarg endlich auf dem Tisch stand. »Wenn jetzt die Verschraubungen sich noch lösen lassen …«
    »Wenn sie gut geölt waren, Herr Kriminalrat, ist das Deckelheben kein Problem!« sagte Saritzki und wischte sich mit dem Unterarm den Schweiß von der Stirn. Jetzt war die Sonne voll da. Ein heißer Tag wurde es wieder. Auch die beiden Ärzte sahen in den blauen Himmel. Eine Obduktion im Hochsommer ist alles andere als schön.
    Dr. Lummer sog an seiner Zigarre. Ein süßlicher Geruch umwehte sie bereits, ein Geruch von fast greifbarer Fettigkeit.
    »Geölt!« rief Saritzki laut. Die Herren schraken unwillkürlich zusammen. Saritzki drehte glücklich an der ersten Deckelschraube. Der Anatomiediener Sepplich klappte die Zinkbüchsen auf und blies in die Plastiksäcke, damit die Seiten nicht aneinanderklebten. Dann setzte er Prof. Landeros einen großen Strohhut auf, denn er wußte, wie sonnenempfindlich sein Chef war.
    »Noch vier Umdrehungen, und die Auferstehung kann beginnen«, sagte Saritzki fröhlich. Die Schraubenköpfe, geschmiedet aus Bronze, ragten aus dem Sargdeckel. Dr. Lummer sah den Totengräber ernst an.
    »Etwas mehr Pietät, bitte!« sagte er laut.
    Saritzki schwieg beleidigt. Nicht einmal mit Humor darf man seinen tristen Beruf aufhellen, dachte er. Verdammt, ich kündige und gehe in die Industrie. 42-Stunden-Woche, keinen Leichengeruch, kein Gemecker von vorgesetzten Beamten, nicht immer heulende Hinterbliebene, endlich bezahlte Überstunden.
    »Fertig!« sagte er steif, als die letzte Schraube herausgedreht war. »Soll ich öffnen?«
    »Bitte!« antwortete Staatsanwalt Dr. Fleigel mit belegter Stimme. Er war noch ein junger Mann und ließ sich von solchen Akten erregen. Mit bebenden Fingern zündete er sich eine Zigarette an; Dr. Lummer stieß dicke Rauchwolken aus seiner Zigarre. Er bewunderte in diesem Augenblick – wie immer bei Exhumierungen – die Ärzte, die scheinbar unbeeindruckt bereitstanden.
    Saritzki und Sepplich hoben den schweren Deckel ab und legten ihn zur Seite auf den Erdhügel. Eine Wolke Verwesungsdunst umgab Dr. Lummer, er roch sie trotz seiner dampfenden Zigarre. Die Polizisten traten weg, hinter die Hecke. Es gehörte nicht zu ihrem Dienst, so etwas einzuatmen.
    Auf den mit Stockflecken übersäten Kissen des Sarges lag Richard Erlanger in einem merkwürdig sauberen schwarzen Smoking. Sein Gesicht war bläulich und begann bereits zu zerfließen … wie wäßriger Ton war das verwesende Fleisch, besprenkelt wie mit Tintenspritzern. Aber noch hatte es seine Form, man erkannte, daß dort Erlanger lag, wenn er auch mit seinen bleckenden Zähnen und dem aufgerissenen Mund keinen schönen Anblick bot. Zwischen seinen gefalteten Händen lag noch, wie mumifiziert, der Teerosenstrauß, den ihm Petra mühsam in die Finger geschoben hatte.
    Waldemar Sepplich machte sich an die Arbeit. Er schnitt die Smokingjacke auf, das weiße Hemd, zog alles zur Seite und legte die Brust des Toten frei. Eine breite, notdürftig vernähte Narbe vom Schlüsselbein bis zum Schambein kam zum Vorschein.
    »Nanu!« sagte Professor Landeros und drehte sich zu Dr. Lummer und Staatsanwalt Dr. Fleigel herum. »Der ist doch schon obduziert worden!«
    »Denken wir daran, meine Herren«, sagte Dr. Lummer und kam durch eine Wolke Rauch auf den Sarg zu, »was wir vorhin besprachen. Es geht um den Nachweis von LSD! Bei der ersten Obduktion haben wir diesen Faktor nicht berücksichtigen können, weil wir noch nicht das wußten, was wir jetzt wissen. Damals ging es nur um die bloße Todesursache, und die war Ersticken.«
    »Also machen wir wieder auf«, sagte Medizinalrat Dr. Boller.
    »Ich bitte darum!« sagte Staatsanwalt Dr. Fleigel.
    Professor Landeros zog die Fäden der grob vernähten Naht und half mit einem Skalpell nach, bis der Brustkorb, Bauch und Unterbauch wieder aufklafften. Waldemar Sepplich, mit jedem Handgriff seines Chefs vertraut, zog die Wundränder auseinander, was gar nicht so einfach war, denn das Muskelgewebe war im Stadium der Zersetzung und glitt immer weg, als sei es aus Gummi oder Gallert.
    »Das ist ein Schildbürgerstreich!« sagte Professor Landeros nach einem Blick in den geöffneten Körper Erlangers. »Hier fehlt ja alles! Der Mann ist ja nur eine leere Röhre!«
    Dr. Lummer überwand seinen Abscheu vor dem Geruch und trat an den Toten heran. Es stimmte. Bei der ersten Obduktion hatte man alles Innere herausgenommen. Herz, Lungen, Magen, Leber, Galle,

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