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Zum Nachtisch wilde Früchte

Zum Nachtisch wilde Früchte

Titel: Zum Nachtisch wilde Früchte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Milz und Därme fehlten, ebenso die Blase. Worauf es Dr. Lummer vor allem ankam, auf Darm und Leber, war wahrscheinlich schon in den vergangenen zwei Monaten als Sezierpräparate zerschnitten worden.
    »Das Gehirn, meine Herren«, sagte Staatsanwalt Dr. Fleigel. »Da LSD ein Gift ist, das im Hirn …«
    »Im Hirn ist gar nichts nachweisbar!« sagte Professor Landeros grob. »Das ist ja wirklich ein tolles Stück! Was soll ich denn nun bekunden? Bei der Exhumierung wurde festgestellt, daß der obduzierte Körper leer war …« Er warf das omeletteheberähnliche Instrument weg, das ihm Sepplich angereicht hatte und mit dem er die Lungen herausholen wollte, und zog seine dicken Gummihandschuhe aus. »Das einzige, was ich noch sehen kann, sind Strangulierungsverfärbungen an der Halshaut! Ein LSD-Nachweis, so gering von Beginn an schon die Hoffnung darauf war, ist völlig ausgeschlossen!«
    »So etwas nennt man unter Männern Scheiße!« sagte Dr. Lummer laut. »Ich habe noch nie erlebt, daß die Kriminalpolizei so viel Niederlagen hintereinander einstecken mußte wie in diesem Fall!«
    Die Morgensonne war bereits sehr heiß. Mücken und Wespen, angelockt von dem süßlichen, fetten Verwesungsgeruch, umkreisten brummend und summend den geöffneten Sarg und drängten zu dem gespaltenen Körper. Waldemar Sepplich wehrte sie ab … mit einem der nun nutzlosen Plastikbeutel, in die er Herz und Leber, Magen und Dickdarm verpacken wollte, fächelte er über den Leichnam Erlangers und verscheuchte die wie verrückt anfliegenden Wespen und Schmeißfliegen.
    »Zumachen!« sagte Professor Landeros und trat vom Sarg weg. »Meine Herren, ich komme mir vor, als sei ich zum Tünnes gemacht!«
    Auch Medizinalrat Dr. Boller trat zurück. Er enthielt sich aller Kommentare. Er war Beamter. Ein guter Beamter schluckt Fehler des Staates wie gezuckerten Lebertran. Staatsanwalt Dr. Fleigel hatte einen roten Kopf, Dr. Lummer verbarg sich hinter Qualmwolken. Totengräber Saritzki grinste. Es war die lustigste Exhumierung, die er bisher erlebt hatte.
    Der einzige, der arbeitete, war Waldemar Sepplich, der Anatomiediener. Er vernähte mit noch gröberen Stichen wieder den Körper Erlangers, deckte das zerschnittene Hemd darüber, zog den aufgeschnittenen Smoking gerade, faltete die Hände wieder über der Brust, schob den mumifizierten Rosenstrauß in die Finger und klemmte eine Watterolle zwischen Schlüsselbein und Kinn, denn der offene Mund störte jetzt sehr an der Gestalt im schwarzen Smoking. Sorgfältig zog Sepplich sogar einige Falten gerade und war dann zufrieden mit seinem Restaurierungswerk.
    »Deckel wieder drauf?« fragte Saritzki, als sich niemand rührte und keiner sprach.
    Dr. Lummer nickte stumm.
    Saritzki und Sepplich holten den Deckel vom Erdhügel, stemmten ihn hoch auf den Sarg und rückten ihn gerade. Dann zog auch Sepplich seine Handschuhe aus, sah auf die Uhr und setzte sich neben den Tisch auf einen Hocker.
    »Kann ich zuschrauben, oder muß ich die Schrauben noch nachölen? Wird der Herr noch einmal gebraucht?« fragte Saritzki in die Stille hinein.
    »Schrauben Sie zu!« schrie Dr. Lummer. »Ich verbitte mir Ihre dämlichen Äußerungen!«
    Saritzki beugte sich über den Sargdeckel und schraubte. Ich kündige, dachte er wütend. So eine Behandlung! Keine bezahlte Überstunde! Als wenn man Dreck wäre! Nicht mit mir!
    Neben dem Sarg saß Waldemar Sepplich, der Anatomiediener, hatte aus einer Aktentasche ein Paket Brote geholt und frühstückte. Ab und zu wehrte er mit dem Plastikbeutel die Wespen und Fliegen ab. Obwohl der Sarg nun wieder zu war, war es, als klebe der süßliche Geruch am Holz, am Tisch, in den Büschen, an der Erde, am Marmor der umstehenden Grabsteine.
    »Schmeckt's?« fragte Saritzki bei der letzten Schraube.
    »Danke.« Sepplich nickte und hob ein Brot hoch. »Gekochter Schinken …«
    Dr. Lummer wandte sich ab. Der Anblick des fröhlich frühstückenden Sepplich neben dem Sarg drehte ihm den Magen um. Er ging um die Hecke herum, die die Grabstelle vom Weg abschirmte, hielt die Zigarre von sich weg und atmete tief die frische, von Blumenduft satte Morgenluft ein. Es kam ihm vor, als habe er noch nie so schön geatmet.
    »Diesen Fall können Sie begraben«, sagte Staatsanwalt Dr. Fleigel später, als sie wieder zum Ausgang des Friedhofes gingen, zu Dr. Lummer. Vor ihnen schritten die beiden Ärzte zum Ausgang wie zwei zürnende Rachegöttinnen. Dr. Lummer blieb ruckartig stehen.
    »Können Sie Ihren

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