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Zum Nachtisch wilde Früchte

Zum Nachtisch wilde Früchte

Titel: Zum Nachtisch wilde Früchte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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ihm sprechen.«
    »Warum? Es ist alles erledigt.« Boltenstern schielte zu Schreibert. Er sah, wie es über sein Gesicht zuckte, als seien die Falten und Runzeln und Narben mit Elektrizität aufgeladen.
    »Ich will Breuninghaus auf Tonis Film aufmerksam machen.«
    »Das wäre kompletter Irrsinn!«
    »Ich will Gerechtigkeit, verdammt noch mal!« Schreibert sprang von seinem Bierfaß auf. Er stand vor Boltenstern, und er war mit seinem weggeschabten Gesicht wie ein brüllendes, Entsetzen verbreitendes Phantom. »Ich will die Wahrheit! Was mit dir, mit Toni, mit mir passiert ist, ist mir jetzt gleichgültig. Was habe ich noch zu verlieren? Was bin ich denn? Innerlich ein Mensch, mit einem Herzen, mit Gefühlen, mit Sehnsüchten, mit Hunger nach Liebe … aber äußerlich eine Fratze, die Entsetzen in die Augen springen läßt und Ekel und Abscheu und widerliches Mitleid! Ist das noch ein Leben? Meinen besten Freund. Ja, er war es. Nicht du oder Toni oder der Major … und ihn sollte ich erwürgen? Das will ich sehen … das will ich in allen Einzelheiten sehen, um es zu glauben! Und dann kann man mit mir machen, was man will …«
    Boltenstern hob leicht die Schultern. Er war in diesen Minuten bereit, alle Zugeständnisse zu machen. Sie blieben doch nur Worte, und sie beruhigten Schreibert etwas.
    »Gut«, sagte er. »Ziehen wir Breuninghaus zu der Filmvorführung zu.«
    Im Zelt begann jetzt die Rede des Generals v. Rendshoff. Ein Tusch schaffte Stille unter den 3.000 Männern, die an den langen Holztischen hockten und Bier tranken und Bratwürstel kauten. Die Ehrengäste – sie saßen an einem weißgedeckten Tisch auf einer Art Tribüne hinter dem Rednerpult – aßen Eisbein, eine Stiftung der Vereinskasse des BdD, das Denkmal v. Kloph war aus dem Schlaf erwacht, ließ sich einen leichten Moselwein reichen, schlürfte ihn mit bebenden Lippen und sah sich um. Sein Blick fiel auf den strammen Henneswald. Dieser stand, auf seinen Tambourstab gestützt, vor der Knüppelmusik, um militärische Töne in den Zeltsaal zu trommeln, wenn die Bayernkapelle verschnaufen mußte.
    »Wer ist das?« fragte der alte v. Kloph und zeigte mit seinen Skelettfingern auf Henneswald.
    »Ein Mann namens Henneswald«, antwortete General v. Rendshoff, der im Geist noch einmal seine Rede durchging.
    »Ah! Henneswald! Ein Nachkomme des Majors, der am 18. April 1864 die Düppeler Schanzen stürmte! Gut, gut! Oh, unser lieber, tapferer Prinz Friedrich Karl …«
    Der 91jährige bekam helle Augen. General v. Rendshoff erhob sich etwas konsterniert und betrat das Rednerpult. Im Zelt erstarb das Rauschen von 3.000 Kehlen. Nur an der Biertheke war noch Lärm … dort reklamierte ein Bayer seinen Maßkrug, der mehr Schaum als Bier enthielt.
    »Kameraden!« sagte v. Rendshoff mit seiner hellen, die Worte zerhackenden Stimme. »Meine verehrten Ehrengäste! Der heutige Tag wird ein Markstein sein in dem Denkmal, das der BUND DEUTSCHER DIVISIONEN in allen deutschen Herzen errichtet denen Tradition und Vaterlandsliebe eine heilige Verpflichtung sind.«
    Am Zelteingang erschien Major Ritter. Er hatte Durst, das Hemd war durchschwitzt, die Stoppelhaare bogen sich vor Nässe. Er hatte Boltenstern und Schreibert einfach nicht gefunden und hoffte, sie doch im Zelt zu sehen. Als er seinen Sohn am Biertresen stehen sah, drängte er sich schnell durch die Bankreihen und zog Werner zur Seite.
    »Wo ist Boltenstern?« fragte er. »Junge, hast du ihn irgendwo gesehen?«
    »Nein. Aber Jutta wird bei ihm sein.«
    »Das ist gut. Das ist sehr gut.« Major Ritter atmete befreit auf, winkte zum Bierhahn und ließ sich einen Maßkrug reichen. »Seit wann bist du hier?«
    »Ich bin gekommen, als euer Wundermarschierer seine Beine in die Staubwolken warf.«
    Konrad Ritter verzichtete darauf, seinem Sohn einen Vortrag über den preußischen Parademarsch zu halten. Er war zu müde dazu, zu durstig und zu erschöpft. Er trank einen tiefen Schluck Bier und lauschte dann, was General v. Rendshoff weiter sprach.
    »… solange ein deutscher Soldat die Stellung hielt, konnte die Heimat voll Vertrauen sein! In der Geschichte des deutschen Soldatentums hat es nie einen Versager gegeben, und wenn wir zwei Kriege verloren haben, so nicht militärisch, sondern wirtschaftlich! Das deutsche Heldentum war immer ein leuchtendes Beispiel …«
    Hinter dem Zelt lehnte Hermann Schreibert an einem Faß und wischte sich über die Augen. Boltenstern ging vor ihm auf und ab, den Kopf etwas nach vorn

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