Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Zum Nachtisch wilde Früchte

Zum Nachtisch wilde Früchte

Titel: Zum Nachtisch wilde Früchte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
Vom Netzwerk:
Freundes?
    Schreibert schloß die Augen. »Was ist aus uns bloß geworden, Alf?« sagte er leise. »Mein Gott, warum mußtest du das Mistzeug mitbringen? Waren wir alle denn so schweinisch übersättigt, daß wir so etwas schluckten? Wir waren doch alle nicht mehr normal, Alf! Uns hat doch das Geld verrückt gemacht, nicht wahr?«
    »Trink, mein Junge.« Boltenstern legte Schreibert den Arm um die Schulter, und diesmal wehrte sich Schreibert nicht gegen die Umarmung. Wie gute Freunde saßen sie zusammen auf den Bierfässern, aneinandergelehnt, und Schreibert hob den Krug an den verkrusteten Mund.
    »Prost, mein Junge!« sagte Boltenstern mit aller Freundschaft. »Du mußt ja verdursten bei dieser Hitze. Aber trink langsam – das Bier ist eiskalt …«
    Schreibert nickte, den Krug an den Lippen, und trank in kleinen, vorsichtigen Schlucken, bis sich sein Magen an die kalte Flüssigkeit gewöhnt hatte und einen längeren Schluck aufnehmen konnte.
    Ohne eine Bewegung beobachtete Boltenstern den Trinkvorgang. Das Schlürfen, das Zucken des Adamsapfels, das Schlucken, es war fast, als könne man, wie bei einem gläsernen Menschen, sehen, wie das Bier von der Mundhöhle durch die Speiseröhre in den Magen rann.
    »Das tut gut, Alf!« sagte Schreibert, als er den Maßkrug absetzte und sich mit dem Ärmel über den Mund wischte.
    »Das glaube ich, mein Junge.« Boltenstern sah auf seine Uhr. 13 Uhr 29 Minuten.
    Um 14 Uhr konnte alles vorüber sein.
    Er lächelte, holte sein Zigarettenetui aus der Tasche und zündete sich eine Zigarette an.
    »Nicht so hastig!« sagte er sogar, als Schreibert erneut trank. »Wie leicht kann man sich den Magen erkälten!«
    Schreibert winkte ab und trank den Krug leer. Er stellte ihn auf einem der Fässer ab und holte sich aus Boltensterns Etui eine Zigarette. Dann setzte er sich wieder auf ein Faß, ließ die Beine pendeln und starrte gegen die Zeltwand.
    Im Zelt hatte man zu singen begonnen. Die alten Landserlieder. »Auf der Heide blüht ein blaues Blümelein, und das heißt – Eeeerika –« Die Stimmen waren ganz nah. Nur die Zeltleinwand trennte sie ja von den Singenden, und doch war hier, zwischen den Fässern, eine andere Welt als an den Tischreihen.
    »Was hast du vor, Alf?« fragte Schreibert. Sein Kopf war merkwürdig schwer, in den Schläfen hämmerte es wie in einer Schmiede.
    »Ich werde Petra zu Weihnachten heiraten«, antwortete Boltenstern mit ruhiger Stimme.
    »Bist du so sicher?«
    »Ja.«
    »Du rechnest nicht damit, Weihnachten im Zuchthaus zu sitzen?«
    »Keinesfalls.« Boltenstern sah wieder auf seine Uhr.
    13 Uhr 34 Minuten.
    Das LSD begann, sich im Hirn festzusetzen. Die ersten Anzeichen wurden sichtbar: Schreiberts Augen bekamen einen hektischen Glanz. Die Hände wurden unruhig, sie fuhren an den Schenkeln auf und ab, mit trommelnden Fingern.
    »Weißt du, daß du ein Schwein bist, Alf?« sagte Schreibert. Er lallte schon ein wenig, und sein Kopf machte kreisförmige Bewegungen, als säße er nicht auf einem Hals, sondern auf einem rotierenden Plattenteller.
    Im Zelt ertönte, greifbar nahe, ein lautes Kommando.
    »Der Westerwald! Drei – vier –« Und dann die Stimmen: »Oh, du schöööner Westerwald …« Auf dem Podium fiel die Knüppelmusik des strammen Henneswald ein, Fäuste hieben auf den Holztischen den Takt. Es war ein erinnerungsschwerer Gesang. Die Übungen in der Wahner Heide, im Sand von Brandenburg, in den Wäldern bei Grafenwörth, im Kusselgelände Ostpreußens … Jungs, haben wir da Schweiß gelassen!
    »… weht der Wind so kalt …«
    Boltenstern beobachtete Hermann Schreibert wie ein Raubtier sein Opfer an der Tränke. Die Augen Schreiberts hatten einen unnatürlichen Glanz, sein vernichtetes Gesicht hätte jetzt – wenn es noch menschlich gewesen wäre – vor innerer Wonne geleuchtet, so aber war nur sein Mund etwas aufgeklafft, und der Kopf rollte stärker im Kreis, als säße er auf einem Gelenk aus gutgeölten Kugellagern.
    »Alf, das war ein starkes Bier!« sagte Schreibert mühsam. »Ich hab' es wirklich zu schnell getrunken. Komm, führ mich weg. Bring mich zu deinem Wagen. Ich will schlafen …« Er streckte beide Arme nach Boltenstern aus, wie ein Kind, das seine ersten Gehversuche unternimmt und die Mutter sucht.
    Boltenstern rührte sich nicht. Er warf nur die Zigarette weg.
    »Ich muß dir etwas sagen, Hermann!« Seine Stimme klang kühl und fast geschäftsmäßig wie die eines Auktionators, der ›Zum ersten … zum zweiten …

Weitere Kostenlose Bücher