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Zum Nachtisch wilde Früchte

Zum Nachtisch wilde Früchte

Titel: Zum Nachtisch wilde Früchte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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zum dritten …‹ in den Saal ruft. »Ich weiß nicht, woher der anonyme Schreiber deines Briefes die Wahrheit weiß – aber so war es! Daß Richard Erlanger damals Petra Wollhagen heiratete, habe ich nie verwunden. Für mich hing damals alles davon ab, ob ich sie bekomme oder Richard. Ich hatte Patente entwickelt, fantastische Erfindungen auf elektronischem Gebiet, Steuergeräte für Raketen. Nur das Kapital Wollhagens machte es möglich, diese Forschungen weiterzutreiben, und ich gestehe, ich war damals ein Besessener, ich war völlig eingesponnen in meinen Erfindungen. Aber Richard heiratete Petra, und meine Patente kaufte er auf für ein Butterbrot, denn ich brauchte ja Geld, ich war ein armer Erfinder, dem man sagen kann: ›Alf, du bist wirklich ein Genie‹ … und den man dann abspeist wie in der Küche eines Obdachlosenasyls. Zugegeben, ich habe später nicht schlecht gelebt, Richard war großzügig … von den Millionen, die er durch meine Erfindungen verdiente, bekam ich 10 Prozent … zehn Prozent, obwohl mir 100 Prozent zustanden! Ist es nicht ein Akt der Gerechtigkeit, daß ich jahrelang auf einen Augenblick wartete, wo ich mir meinen vollen Anteil holen konnte? Dieser Tag kam am 21. Mai, als ihr, wie immer lüstern auf Weiber und Saufen, bei Toni zusammentraft und ich euch von dem hier noch unbekannten LSD erzählte. Ich wußte, daß ihr es schlucken würdet – das Neue, das Unbekannte reizte euch maßlos. Ihr alle habt LSD genommen, auch die Mädchen … nur ich nicht. In eurer Aufregung, umgeben vom Duft halbnackter Mädchenkörper, habt ihr nicht gesehen, wie ich mein Glas zur Seite stellte.«
    »Du Schwein …«, stammelte Schreibert. Er rutschte von seinem Bierfaß und umklammerte es mit beiden Händen. Seine Beine gehorchten schon nicht mehr, aber ein Teil seines Gehirns nahm noch klar auf, was Boltenstern sagte. »O du Schwein …«
    »Ich habe gewartet, bis ihr alle ›auf der Reise‹ wart, wie es die Fachleute des LSD nennen. Dann – als du herumkrochst auf dem Teppich und piepsende Laute ausstießt – bin ich in die Halle gegangen, habe meine Handschuhe angezogen und Richards Seidenschal aus der Garderobe geholt. Du kamst mir entgegen und schriest immer wieder: ›Er kriegt mich! Er kriegt mich! Hilfe! Hilfe!‹ Und ich habe zu dir gesagt, nur um etwas zu sagen: ›Sei still! Du träumst es nur!‹ Und sofort warst du ruhig. Da erst habe ich gemerkt, daß du auf Befehle von draußen reagierst, ohne es später zu wissen. Und mein Plan wurde plötzlich eine geradezu fantastische Wirklichkeit!« Boltenstern sah Schreibert interessiert an. Speichel tropfte aus seinem zerklüfteten Mund. »Kannst du mich noch hören, Hermann?« fragte er eindringlich und beugte sich vor. »Hermann, hörst du mich noch?«
    »Ja …«, lallte Schreibert. »Ja … ja …« Er sank auf die Knie und legte den Kopf auf den Faßdeckel. »Ja –«
    »Ich gab dir den weißen Seidenschal Richards in die Hand«, sagte Boltenstern mit einer teuflischen Ruhe, »und zeigte auf Richard, der neben einem Mädchen auf dem Teppich lag und ruckartige Armbewegungen machte, als steche er mit einer Lanze zu. ›Leg ihm den Schal um den Hals und knote ihn zu‹, habe ich da zu dir gesagt, und du bist hingegangen, hast dich über Richard gebeugt und hast ihn mit dem Schal erdrosselt. Niemand konnte Zeuge sein – alle waren in einem Wunderland. Nachdem du Richard getötet hattest, habe ich dich bis zur Haustür begleitet und dir befohlen, nach Hause zu fahren. Du hast alles getan wie eine Maschine. Nur einen Fehler, ich gebe es zu, habe ich gemacht: Ich hatte damit gerechnet, daß du tödlich verunglückst. Als ich am Morgen erfuhr, daß du den Unfall überlebt hast, mußte ich alle meine Pläne ändern. Es ist schade, mein Junge, daß sich alles so entwickelt hat … dein zerstörtes Gesicht, deine unglückliche Liebe zu dieser Corinna, diese anonymen Briefe … es wäre alles so einfach gewesen, wenn du damals an dem Chausseebaum gestorben wärst, wie du solltest …«
    Boltenstern schwieg. Hermann Schreibert umklammerte das Bierfaß wie eine Geliebte. Er küßte den schmutzigen Deckel und leckte über das verkorkte Spundloch. Boltenstern sah auf seine Uhr. 13 Uhr 47 Minuten.
    Das LSD hatte das Gehirn umklammert. Schreibert befand sich auf der Reise in eine Wunderwelt.
    Im Zelt hatte man den ›Westerwald‹ endlich abgesungen. Jemand sprach auf der Tribüne. Es war Major Konrad Ritter, der in der Gesangspause daran erinnerte, man

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