Zum Nachtisch wilde Früchte
verliebt angesehen und geküßt.
Um die Hütte herum war der Boden allerdings feucht und wie Morast, das Grundwasser mußte hier ziemlich hoch stehen und den Boden dauernd durchweichen. Ein paarmal hatte Werner – vor allem nach einem Regen – Jutta in die Hütte tragen müssen, weil ihm der Morast bis über die Schuhe quoll.
Sie banden den Schimmel an einem eisernen Haken neben der Hüttentür fest, setzten sich auf zwei große Hauklötze, die neben dem Eingang standen, und sahen hinüber zu einem anderen Hügel, durch dessen Laubwerk ein breites rotes Dach schimmerte. Das Klubhaus eines Tennisklubs.
»Ich habe Paps verraten, daß ich ihn Weihnachten mit einem Schwiegersohn überraschen werde«, sagte Jutta und lachte hell, als sie Werners verblüfften Blick sah. »Nein! Einen Namen habe ich noch nicht genannt! Das soll ja die große Überraschung sein! Wird Paps Augen machen, wenn ich dich ins Zimmer schiebe und sage: Und hier, Paps, mein Weihnachtsgeschenk in Lebensgröße!«
»Du hast eine Begabung für theatralische Auftritte«, sagte Werner Ritter. Er war gar nicht davon überzeugt, daß Boltenstern sich freuen würde. Weihnachten! Was konnte bis dahin noch geschehen?! In drei oder vier Tagen fing es schon an, wenn die letzten Erfahrungsberichte aus London vorlagen. Verhör Alf Boltensterns über den Gebrauch von LSD. Es war keine Empfehlung für einen zukünftigen Schwiegersohn.
»So, jetzt muß ich wieder in die Stadt«, sagte Jutta nach einem langen Kuß, der sie etwas atemlos gemacht hatte. »12 Uhr Chefkonferenz. Wir werden gerade noch hinkommen!«
»Noch einen Kuß!« sagte Werner Ritter. »Wann sehen wir uns denn wieder?«
»Morgen abend? Gehen wir ins Kino?«
»Abgemacht, Liebling.«
Er küßte sie noch einmal, hob sie dann in den Sattel und band den Schimmel vom Haken. In diesem Augenblick ertönte ganz in ihrer Nähe ein einsamer Schuß. Nicht laut, aber er genügte, um das Pferd unruhig zu machen. Es warf den Kopf hoch, blähte die Nüstern, die Ohren legten sich nach hinten, und dann stieg es unvermutet hoch, stellte sich auf die Hinterfüße und wieherte.
Das alles geschah so plötzlich, daß Jutta das Gleichgewicht verlor, sich nicht mehr im Sattel halten konnte und seitlich hinunterfiel in den morastigen Boden.
»Welch ein Idiot knallt denn da durch die Gegend?« schrie Werner Ritter, bückte sich und hob Jutta auf. Der Schimmel lief noch ein paar erschrockene Schritte, blieb dann stehen, sah sich um und kam langsam zurück.
»Himmel, wie sehe ich aus!« sagte Jutta und blickte an sich herunter. Reithose und Bluse waren schmutzig. Nasser Waldboden klebte an ihnen. »Ade Chefkonferenz! So kann ich doch nicht nach Hause reiten! Jeder wird denken, Schneeflöckchen hat mich abgeworfen! Das sanfte Pferdchen! Wer glaubt mir denn die Wahrheit? Und überhaupt die Hütte. Unser Schloß soll niemand wissen!«
»Warten bis es trocknet?«
Jutta sah sich um. In einer Tonne unter der Regenrinne stand das aufgefangene Regenwasser bis zum Rand. In der Hütte waren Eimer, ein Tisch, Stricke und ein Ofen.
»Auswaschen!« sagte sie nüchtern. »Du machst den Ofen an, ich wasche im Regenwasser alles aus, und in einer Stunde ist alles getrocknet und sauber.«
Und so geschah es. Sie gingen in die Hütte, Werner holte zwei Eimer Regenwasser und Jutta zog die Bluse und die Reithose aus. Während sie das tat, stand Werner am Ofen, mit dem Rücken zu ihr, und schürte die Flammen.
»Sag bloß, du wirst noch rot, wenn du mich ansiehst«, lachte sie und tauchte die verschmutzten Kleidungsstücke in die Eimer. »Wir sind doch keine Kinder mehr. Und im Bikini siehst du mehr. Und überhaupt – was siehst du schon?«
In Büstenhalter und Höschen lief sie herum, spannte die Leine von Wand zu Wand, über den Ofen und an der langen Ofenröhre vorbei, und Werner Ritter sah ihr zu und lächelte und kam sich vor wie ein alter Ehemann, dem es etwas Alltägliches war, seine Frau so zu sehen. Dann hängten sie die Reithose und die Bluse auf die Leine, schoben die Stiefel in die Nähe des Ofens und setzten sich auf zwei Kisten, die an der Wand standen und feinen Basaltkies enthielten.
»Daß du dich gar nicht schämst …«, sagte Werner Ritter und legte den Arm um Juttas nackte Schulter. »Ich wollte an und für sich ein anständiges Mädchen heiraten.«
»Mit einem Nachthemd vom Kinn bis zu den Zehen.«
»Genau.«
»Oh, du Heuchler!« Sie kniff ihn in die Nase und strich ihr rotbraunes Haar aus der Stirn.
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