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Zum Nachtisch wilde Früchte

Zum Nachtisch wilde Früchte

Titel: Zum Nachtisch wilde Früchte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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ihnen im Garten spazieren und trank Kaffee mit ihnen. Nach neun Stunden war alles vorbei, und er fror wieder als Amundsen in seinem vom Schneesturm zugewehten Zelt am Südpol. Seitdem ist uns diese Rückwandlung nicht wieder gelungen, trotz jede Woche wiederholter LSD-Versuche.«
    LSD. Das Wort war gefallen. Das Wort, auf das Werner Ritter gewartet hatte. Vor dem Zimmer 49 blieben sie stehen. Noch wußten sie nicht, was sie hinter der weißlackierten Tür sehen und hören würden.
    »Welche Erfahrungen haben Sie mit LSD, Doktor?« fragte Werner Ritter. Dr. Laurenz wiegte nachdenklich den Kopf und schob die Unterlippe etwas vor.
    »In der Praxis, als Medikament, hat es sich bewährt. Als Rauschgift haben wir nur die Berichte aus den USA und anderen Ländern und die eingehenden Beobachtungen der experimentellen Psychose, vor allem die Protokolle aus der Klinik für psychische und Nervenkrankheiten der Universität Göttingen. In Deutschland kennt man das LSD noch nicht als Gesellschaftsspiel … zumindest wurden bei uns noch keine Suchtfälle eingeliefert.«
    »Das wird sich bald ändern, Doktor«, sagte Werner Ritter heiser. »Halten Sie einen Mord im LSD-Rausch für möglich?«
    »Ohne weiteres. In den USA kennt man ein paar solcher Morde.«
    »Einen Mord auf Befehl auch?«
    Dr. Laurenz hob die Augenbrauen. »Das ist eine nicht zu beantwortende Frage. Mord im Hypnoseauftrag … das kennt man. Ob das LSD auch neben seiner schizophrenen Eigenschaft einen lenkbaren Willen hervorbringt, darüber habe ich noch nie gelesen. Wie gesagt … wir sind nur auf die Literatur angewiesen. Vom Meskalinrausch weiß man, daß Menschen im Rauschzustand zu allen Handlungen fähig sind!«
    Das Zimmer 40, das sie jetzt betraten, war normal eingerichtet, hell, sauber und aufgeräumt. Das einzige Auffällige war ein dickes Seil, das zwischen zwei Haken von Wand zu Wand gespannt war.
    In der Mitte des Seiles hatte man einen dicken, völlig unentwirrbaren Knoten geknüpft. Vor diesem Knoten stand ein schlanker, eleganter, fast schön zu nennender Mann, betrachtete ihn kritisch von allen Seiten und hieb in Abständen von einigen Minuten mit einem Holzschwert auf das dicke Knäuel. Dann trat er zurück, schüttelte den Kopf, legte das Kinn in die offene rechte Hand und versank in tiefes Grübeln.
    »Alexander der Große«, sagte Dr. Laurenz. Der elegante Mann ließ sich nicht durch den Besuch stören. Er umkreiste den Knoten und hieb mit seinem Holzschwert wieder zu. »Seit zwei Jahren versucht er, den zweiten Gordischen Knoten zu durchschlagen. Daß es nicht gelingt, begreift er nicht.« Dr. Laurenz beugte sich zu Ritter und Jutta vor und dämpfte die Stimme. »Wir haben ihm einen Schock versetzt in der Annahme, er würde heilen. Als er wieder einmal zuschlug, brach der Knoten auseinander, wie Siegfrieds Amboß auf der Opernbühne. Die Wirkung war schrecklich. Er weinte, fiel in Trübsinn und versuchte viermal einen Selbstmord. Erst als wir ihm einen neuen Knoten servierten, war er wieder glücklich, ärgerte sich über sein Schwert und hieb und hieb und sinniert nun weiter, wie er den Knoten durchschlagen kann.«
    »Keine Heilung?«
    »Nein!« Dr. Laurenz verließ wieder das Zimmer. Hinter ihnen sprach ›Alexander der Große‹ mit sich selbst … in altgriechischer Sprache. Werner Ritter blieb wie angewurzelt stehen. Dr. Laurenz nickte.
    »Sie hören richtig. Griechisch! Er spricht es fließend. Woher? Es ist eines jener Rätsel, vor denen wir fassungslos stehen. Mit seinem Irrsinn kam auch die griechische Sprache. Er ist nun mal Alexander, der Griechenkönig! Hier blicken wir durch eine winzige Ritze in der Mauer, hinter der eine Welt des Übersinnlichen liegt, von der wir gar nichts wissen. Ein Geheimnis, das wissenschaftlich nicht erklärbar ist. Mir kommt der Mensch immer wie ein Eisberg vor … wir sehen und kennen nur das, was oben sichtbar treibt, und das ist nur ein Siebentel. Die anderen sechs Siebentel sehen wir nicht … oder ab und zu nur eine Zacke, wie unser Alexander der Große.«
    Jutta Boltenstern war an das Fenster getreten und sah hinaus in den sommerlichen Garten. Vier Kranke schnitten Gras mit Handmähern. Nebeneinander, wie Soldaten auf dem Kasernenhof. Auf dem Weg stand ein Pfleger und beobachtete sie.
    »Mir kommt dieser Mann, der – Alexander – bekannt vor«, sagte sie leise. »Irgendwo habe ich ihn schon gesehen.«
    »Im Film.« Dr. Laurenz nickte. »Es ist Walther Wendegraf. Als Filmschauspieler nannte er sich

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