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Zum Nachtisch wilde Früchte

Zum Nachtisch wilde Früchte

Titel: Zum Nachtisch wilde Früchte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Nicolo Graff.«
    »Mein Gott – Nicolo«, Jutta war entsetzt. »Ja. Er ist es!«
    »Vor zwei Jahren, während eines Filmes über Alexander den Großen, begann sein Irrsinn. Er ist das Opfer aufputschender Medikamente. Seit Jahren konnte er nur spielen, wenn er immer und immer wieder und immer mehr anregende Mittel einnahm. Was daraus geworden ist … Sie haben es gesehen.«
    Zwei Stunden lang führte Dr. Laurenz Werner Ritter und Jutta Boltenstern durch die Heilanstalt. Obwohl sie die Blocks der Paralytiker mieden, war Jutta nach diesen beiden Stunden am Ende ihrer Kräfte.
    Sie hatte in eine Hölle geblickt, und doch waren es nur Menschen, arme, kranke, hilflose Menschen, die das Opfer eines winzigen Fehlers in ihrem Hirn waren … eine Fehlkoppelung von Nerven, eine Infektion, die Schäden hinterließ, Gifte oder Alkohol, die die empfindlichen Hirnzellen zerstören oder einfach nur das große Geheimnis, das noch niemand ergründet hat: Wie ist es möglich, daß ein Mensch ein völlig anderes Wesen wird?
    Eine Frage, auf die es keine Antwort gibt.
    Später, wieder in Ritters altem Wagen sitzend, brauchte Jutta viel Puder, um ihre Blässe zu überdecken. In ihren Augen spiegelte sich noch die Erschütterung und das Grauen, das mächtiger war als der Wille, nur zu denken: Es sind ja Menschen wie wir …
    »Und warum sollte ich das alles ansehen?« fragte sie und schluckte mehrmals. Wie ausgedörrt war ihre Kehle, wie mit rauhem Leder ausgeschlagen. Werner Ritter steckte sich erst eine Zigarette an, ehe er antwortete. Und er sah Jutta dabei nicht an.
    »Du hast die Schizophrenen gesehen«, sagte er langsam. »Du hast gesehen, wie schrecklich sich ihre Welt verändert hat. Diese furchtbare Spaltung der Persönlichkeit kann man auch künstlich herbeiführen … durch die unvorstellbare, winzige Menge von achtzigmillionstel Gramm LSD …«
    Jutta Boltenstern sah Werner Ritter fragend an. Sie verstand nicht, was sie mit dieser Auskunft anfangen sollte.
    »Liebst du mich?« fragte Werner Ritter. Er war plötzlich heiser, als habe er stundenlang geschrien.
    »Aber ja! Was soll das jetzt, Werner?«
    »Du brauchst diese Liebe, Jutta! Sie wird von dir eine übermenschliche Entscheidung verlangen!«
    Lähmende Stille war daraufhin in dem engen Wagen. Ritter starrte aus dem Fenster auf den Parkplatz der Heilanstalt; Jutta spürte eine kalte Angst in sich aufsteigen.
    »Sag die Wahrheit, Werner«, sagte sie leise. »Was ist geschehen?«
    »Ich habe den Verdacht, daß dein Vater und seine Freunde LSD nehmen …«
    Dann fuhr er an, ohne ihre Antwort abzuwarten.
    »Was soll nun werden?« fragte sie.
    »Ich weiß es nicht, Jutta.« Werner Ritter fuhr mit der Sicherheit eines Schlafwandlers durch den Großstadtverkehr. Er blickte auf die Straße, aber es war, als sähe er gar nicht, was vor ihm geschah. »Ich weiß es wirklich nicht. Nur eins ist sicher … ich werde am Sonntag nicht, wie es dein Vater befohlen hat, um deine Hand anhalten können! Erst muß ich diesen Fall Erlanger abschließen.«
    »Das sehe ich ein.« Jutta legte die Hand auf Ritters Arm. Ihre Stimme war wie in Watte gebettet, sie hatte kaum noch einen Klang. »Hat … hat Paps dieses LSD mitgebracht?«
    »Das ist es, was ich nicht weiß. Jeder der vier Freunde kann es mitgebracht und verteilt haben.«
    »Soll ich Paps danach fragen?«
    »Um Gottes willen, halte dich da raus!« Werner Ritter umklammerte das Lenkrad. Sie fuhren über die Königsallee, die Prachtstraße Düsseldorfs. »Wo soll ich dich absetzen?«
    »Am Verlag.« Jutta Boltenstern lehnte sich zurück. Sie war müde wie nach drei durchwachten Nächten. Und sie kam sich wie mit Blei gefüllt vor.
    Mein Vater, dachte sie. Nein, so etwas tut Paps nicht. Er mag seine Fehler haben, wir alle haben sie – aber er ist ein guter Mensch.
    Den Gang, den Konrad Ritter am Sonntag antrat, empfand er wie den Antritt zum Sturm auf eine ungenügend beschossene, befestigte Stellung. Da alles, was Ritter dachte, sich in militärischen Vergleichen bewegte, war auch seine Vorbereitung kriegsmäßig.
    Er zog seinen Sturmanzug an – das war ein schwarzer Anzug mit silbergrauem Schlips –, steckte Munition in die Taschen – das waren Zigarren, das Stück zu 50 Pfennig – und probte vor dem Spiegel die besten Scharfschüsse – das waren prägnante Sätze, mit denen er Boltenstern überzeugend niederzwingen wollte.
    Pünktlich um 11 Uhr schellte er bei Boltenstern, ein Hausmädchen öffnete ihm und führte ihn in das

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