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Zum Nachtisch wilde Früchte

Zum Nachtisch wilde Früchte

Titel: Zum Nachtisch wilde Früchte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Komplimente machen. Wir wissen alle, was mit uns los ist. Sagen Sie mir einfach: Sie gefallen mir … und dann ist es gut.«
    »Sie gefallen mir!« sagte Schreibert. Er bemühte sich, das Pfeifen, das er beim Sprechen hatte, zu mildern, indem er seinen Sprechatem dosierte. »Und trotzdem muß ich Ihnen sagen, daß ich es als eine besondere Auszeichnung betrachte, daß Sie gerade mit mir tanzen, obwohl es so viele schöne Männer gibt in unserem Kreis.«
    »Ich bin schon ein Jahr hier. Ich kenne jeden.« Corinna sah sich um. Aus dem Lautsprecher tönte der nächste Tanz. Ein Twist. »Wollen wir weiter tanzen?«
    »Wenn es Ihnen Spaß macht. Allerdings muß ich vorausschicken, daß ich wie ein Elefant twiste.«
    Corinna Colman lachte, und es war Schreibert, als läuteten silberne Glöckchen. Zu blöde, dachte er dann. So denken nur Verliebte! Ich bin ein Mensch ohne Gesicht … für mich ist auch die Liebe weggeschabt. An einem Baum auf der Chaussee nach Benrath hängt sie!
    »Dann kommen Sie. Setzen wir uns in eine Nische und sehen uns das Hüftewackeln an.« Corinna faßte Schreibert am Arm und zog ihn in die Schatten einer Nische, wo ein kleiner runder Tisch stand. Sie hielt seine Hand auch noch fest, als sie schon saßen, und durch Schreibert zog es heiß und betäubend wie in seiner besten Zeit.
    »Was sind Sie?« fragte Corinna Colman nüchtern. Schreibert zuckte zusammen. Einen Augenblick hatte er von seinem Haus geträumt. Von dem weiß-goldenen Schlafzimmer mit dem französischen Bett auf einem Podest. Und in dem Bett hatte er ein wunderhübsches Mädchen gesehen, mit langen, offenen blonden Haaren.
    »Modeschöpfer. Ich habe in Düsseldorf einen großen Salon.« Seine Antwort kam, als sollte sie auf eine Visitenkarte gedruckt werden.
    »Und Ihr Gesicht?«
    »Autounfall.«
    »Ich auch. Auf der Straße nach Cannes. In den Seealpen. Ein Lastwagen fuhr meinen offenen Sportwagen zusammen. Der Fahrer war betrunken.«
    »Und was haben Sie früher getan?«
    »Nichts. Ich bin die Tochter eines reichen Vaters. Das war mein ganzer Beruf. Vor einem Jahr standen die Bewerber um meine Hand Schlange … jetzt besucht mich nicht einmal mehr mein Vater! Nur bezahlen tut er. Das genügt auch. Was geht mich die Vergangenheit an? Nur die Gegenwart gilt. Wir alle leben hier für die Gegenwart. Wissen Sie, was die Zukunft ist? Wissen Sie, ob man Ihr Gesicht wieder menschlich machen kann? Ob ich wieder ohne Schaudern in einen Spiegel sehen kann? Ich glaube nicht daran. Ich hatte eine Haut wie ein Pfirsich … so sagten die Männer. Über eine verschrumpelte Nuß kann keine glatte Haut mehr wachsen …«
    »Ihre Haut ist zart wie mein weichster Samt. Nein, noch zarter.« Schreibert streichelte über ihre Arme, über die nackten Schultern, über den Halsansatz. Als er an die Gummimaske kam, fuhren ihre Hände hoch und hielten ihn fest.
    »Lassen wir das!« sagte Corinna Colman, und ihre Stimme hatte keinerlei kindlichen Unterton mehr. »Es ist doch besser, wenn wir tanzen …«
    In der Nacht, nun allein in seinem Zimmer, riß sich Schreibert die Maske vom Gesicht und warf sie wimmernd gegen die Wand.
    »Du Hund!« sagte er, ballte die Fäuste und dachte dabei an Alf Boltenstern. »Du infamer Hund! Du hast mein Leben zerstört! Du hast mich zu einem Clown gemacht, der immer mit einer Maske leben muß! Aber das Leben ist noch lang, du Hund, und ich zahle es dir zurück … Runzel um Runzel … Narbe um Narbe … Scheiß was drauf auf Kameradschaft und Meseritz an der Obra … Ich habe kein Gesicht mehr … ich darf ein Satan sein …!«
    Der nächste Tag war ein herrlicher Sonnentag. Schreibert zog nach dem Morgenkaffee seine Badehose an und lief zum Schwimmbecken.
    Hier traf er Corinna Colman in einem engen, roten Bikini, und was Schreiberts Modeaugen schon unter dem Kleid ertastet hatten, wurde nun fast hüllenlose Wahrheit. Es war der schönste Körper, den er seit Jahren gesehen hatte.
    »Corinna«, sagte er heiser, als sie nebeneinander am Beckenrand standen, so nahe, daß sich ihre Arme berührten und ihre Poren zu knistern schienen. »Corinna, ich weiß, daß es idiotisch ist … aber ich liebe Sie …«
    Die Gummimaske der venezianischen Madonna verschob sich wieder zu einem milden Lächeln.
    »Unser ganzes Leben ist eine Idiotie, mein Lieber«, sagte sie. »Zimmer 9 …«
    Sie stürzte sich mit dem Kopf zuerst ins Wasser und schwamm wie ein roter, glänzender Fisch davon.
    Schreibert wandte sich ab, ging langsam durch den Park

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