Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Zum Nachtisch wilde Früchte

Zum Nachtisch wilde Früchte

Titel: Zum Nachtisch wilde Früchte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
Vom Netzwerk:
Erregung. Verwundert sah ihn Schreibert von der Seite an, aber er fragte nicht weiter. Nur ein häßlicher Gedanke kam in ihm auf, und er setzte sich bei ihm fest wie ein Bazillus: Liebte auch Dr. Hellerau seine Patientin Corinna Colman? War er einer der zwölf Liebhaber, nach deren Liebesnächten Corinna jedesmal zum Strick griff, um ihr Leben wegzuwerfen? Sprach aus Dr. Hellerau eine unter Kontrolle gehaltene, aber bohrende Eifersucht?
    Hermann Schreibert hatte Zeit genug, über alles genau nachzudenken. Er saß am Fenster und beobachtete Corinna und ihren langen Schatten, den Nordländer. Er sah, wie sie ihn sichtlich quälte, wie sie ihm den Sieg in dem Duell der Häßlichkeit sauer machte; wie ein Hündchen lief er ihr nach, trug ihre Badesachen herum, kämmte ihr die nassen Haare, wenn sie aus dem Becken stieg, frottierte sie ab, rannte nach erfrischenden Getränken, bediente sie wie ein Sklave, aber in der Nacht ließ sie ihn nicht in ihr Zimmer, so leise und lange er auch klopfte und zärtliche Worte durch die Türritze flüsterte.
    Am dritten Tag entschied es sich. Auf dem Flur prallten sie aufeinander, ungewollt; Corinna wollte zum Massagezimmer, Schreibert suchte die Stationsschwester, denn er hatte im Bett gefrühstückt und Tee über sein Bettlaken gegossen. Ganz allein waren sie auf dem hellen Flur, standen voreinander und sahen sich durch ihre Gummimasken an.
    »Corinna«, sagte Schreibert zuerst. Er bemühte sich jetzt nicht mehr, das Pfeifen in seiner Stimme zu verbergen. Kam es jetzt noch auf solche lächerlichen Äußerlichkeiten an? Mit hängenden Armen stand er vor ihr. So steht ein Mensch vor der Guillotine, bevor er geköpft wird. »Corinna«, wiederholte er leise.
    »Warum tust du nichts?« sagte sie. »Bist du ein Feigling?«
    »Was soll ich denn tun, Corinna?«
    »Weiß ich es? Sei der Stärkere, bezwinge ihn, bring ihn um …«
    »Wenn ich wüßte, daß du mich liebst …«
    »Ich liebe dich – warum fragst du danach?« Sie ging um ihn herum, aber als sie neben ihm war, legte sie für eine Sekunde ihren Kopf auf seine Schulter. Dann rannte sie weiter, und Schreibert sah ihr erstarrt, bis ins Innerste aufgewühlt, nach.
    Das war der entscheidende Augenblick. Schreibert ging zurück in sein Zimmer und schrieb einen Brief an Alf Boltenstern.
    Es war ein kurzer, brutaler Brief, der einzige Stil, den Boltenstern anerkannte und auf den er reagierte.
    »Ich erwarte Deinen Besuch in der ›Bergwald-Klinik‹ in den nächsten Tagen. Bring drei Streifen ›Löschpapier‹ mit! Ich nehme nicht an, daß Du Dich weigerst, denn Werner Ritter ist schnell angerufen. Ich brauche drei ›Löschpapiere‹ in der stärksten Konzentration, die möglich ist.
    Hermann.«
    Der Brief wurde vom Postamt Düsseldorf I nach Rhodos nachgeschickt. Er kam erst gar nicht in das Haus Boltensterns, wo ihn Jutta in Empfang genommen hätte. Aber die Nachsendung nach Rhodos dauerte über eine Woche, und Schreibert wartete verzweifelt auf den Besuch Boltensterns und verfluchte ihn und sann sich Rachepläne aus und war doch im Grunde genommen so wehrlos wie ein Regenwurm, der auf der Schaufel eines Köder suchenden Anglers liegt.
    Fünf Tage nach dem Abgang des Briefes erhielt Schreibert doch Besuch. Aber nicht Boltenstern war es, sondern Major Konrad Ritter, der sich um seinen Kameraden kümmern und Dr. Hellerau fragen wollte, ob Schreibert Ende August Urlaub bekommen könnte, um an dem großen Divisionstreffen in Nürnberg teilnehmen zu können.
    Hermann Schreibert besaß noch so viel schwarzen Humor, sich sorgfältig zu frisieren und seine Maske schön glatt zu streichen, als man ihm den Besuch meldete, der in der Halle wartete. Dann ging er langsam die große Freitreppe hinunter und sah Konrad Ritter am Kamin sitzen und eine Zigarette rauchen. Ritter sah auf, musterte Schreibert, der auf dem unteren Treppenabsatz stehen blieb und blickte wieder weg.
    »Guten Tag«, sagte Schreibert mit seiner merkwürdig pfeifenden Stimme. Er trat an Ritter heran, der ihm kurz zunickte und – deutlich zu erkennen gab, daß er keine Unterhaltung mit dem fremden Menschen führen wollte.
    »Tag!« erwiderte Konrad Ritter.
    »Sie suchen jemanden?«
    »Ich erwarte jemanden«, sagte Ritter knapp. Es klang wie ein zackiges ›Stillgestanden!‹
    »Herrn Schreibert?«
    »Ja.«
    »Dann leg mal die unsichtbare Uniform ab, Major, und benimm dich vernünftig.«
    Major Ritter tat einen kleinen Aufschrei, die Zigarette fiel auf den Tisch und brannte ein

Weitere Kostenlose Bücher