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Zum Nachtisch wilde Früchte

Zum Nachtisch wilde Früchte

Titel: Zum Nachtisch wilde Früchte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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herausstellen!« rief Konrad Ritter mit sonorer Stimme. »Wir Soldaten haben den Krieg nicht verloren – es war das schwache Rückgrat der rückwärtigen Gebiete!«
    Hermann Schreibert nickte, als höre er gespannt zu. Dabei waren Ritters Worte nur ein Plätschern an seinem Ohr. Er beobachtete Corinna.
    Sie lag am Waldrand und sonnte sich. An einen Baum gelehnt, saß der Nordländer und bewachte sie wie ein Bluthund.
    Schreibert empfand große Lust, ihn zu töten.
    Über Toni Huilsmann war eine große Leere gekommen.
    Der Selbstmord Else Lechenmaiers, ausgelöst durch den Wahnsinnsrausch des LSD, ergriff ihn mehr, als er zuerst angenommen hatte. Nicht daß er in Else mehr sah als ein Objekt seiner wilden Orgie, die wiederum allein das teuflische Werk Alf Boltensterns war, aber die Wirkung des LSD, wenn man es nicht steuerte, machte auf ihn einen ungeheuren Eindruck, und er sagte sich völlig vernünftig, daß der Tod Else Lechenmaiers nicht nötig gewesen wäre, vor allem nicht als Folge eines Experimentes. Denn mehr sollte das Stückchen Zucker in Elses Tee ja nicht sein.
    Huilsmann betäubte seine trübsinnigen Gedanken durch einen vermehrten Konsum weiblicher Schönheit. Ein, zwei Wochen lang war das große gläserne Haus eine Art Bienenhaus; es summte und schwirrte und girrte in den riesigen Räumen, und das Duftgemisch von Alkohol und Parfüm hing in den Möbeln und Seidentapeten wie Sirup. Dann hatte es Huilsmann endgültig satt.
    »Immer dasselbe!« schrie er eines Nachts. »Teufel, wie ekelt mich das an! Raus mit euch allen! Raus! Ich kann diese nackten Ärsche nicht mehr sehen!« Und er tat etwas, was schon berühmtere Männer als er getan hatten, wenn zu viel weibliche Schönheit rülpsende Sattheit erzeugte: Er griff einen harten Gegenstand, – in Huilsmanns Fall war es eine algerische Kamelpeitsche, die an der Wand als Andenken hing – und prügelte die schreienden und kreischenden Mädchen aus dem Haus.
    Darauf folgten drei Tage Katzenjammer. Er lag im Bett, erledigte Kundengespräche per Telefon, schrie einige Mädchen an, die sich telefonisch meldeten und sagten: »Na, mein Süßer, ist der Koller vorbei? Wir kommen heute abend …«, aß so gut wie gar nichts und gelangte zu der Erkenntnis, daß das ganze Leben Mist sei, wenn man erst einmal so viel erreicht hatte, daß keine Wünsche mehr offen bleiben. Zum Kotzen langweilig ist das Leben dann. Man ist so satt, daß einem der Gedanke an neue Weiber, an Parties, an Pfänderspiele, an Bäumchen-wechsel-dich und wie die Spielchen alle heißen, regelrechte Übelkeit bereitet … kurzum, die weite Welt ist wieder klein geworden, denn ob in Hongkong oder Los Angeles, in Tokio oder Rom, in Rio de Janeiro oder auf den Bahamas … liegt ein glatthäutiger Frauenkörper erst einmal unter der Bettdecke, gibt es weder räumliche, rassische noch biologische Unterschiede. Es ist immer das gleiche.
    Die Welt der Satten ist so groß wie ihre Matratze. Eine Erkenntnis, die Huilsmann maßlos erschreckte und wie in eine Panik trieb.
    So dämmerte ihm langsam die schreckliche Sehnsucht, das genossene Leben auf einer anderen Ebene weiterzuführen. Wegzugehen aus dem tristen Land, in dem er jeden Stein kannte und dreimal umgedreht hatte, und hineinzuwandern in ein herrliches, freies, unbekanntes Märchenland, wo die Bäume silberne Blätter trugen, der Himmel in allen Farben spielte, vom lichten Grün bis zum tiefsten Violett, wo ein Apfel sprechen konnte und eine Taube einen Menschenkopf trug, wo Mäuse auf der Straße saßen und den Pilgerchor aus Tannhäuser sangen und aus dem Wasser des Rheins eine große Krake kroch und mit hundert Fangarmen winkte, und die Saugnäpfe an den Fangarmen waren keine Saugnäpfe, sondern wunderschöne, knospende Mädchenbrüste.
    Eine Zauberwelt, jenseits aller Erkenntnisse, weit weg von vernünftigen Erklärungen … eine Welt, die nur Ausgewählten gehört …
    Drei Stunden lang saß Toni Huilsmann vor seinem größten Schatz, den neun in Stanniol gewickelten Zuckerstücken aus Paris. Er saß vor der offenen Stahltür seines Panzerschrankes, als betrachte er einen ungeheuren Wert, und so empfand er es auch, denn was vor ihm lag, war der Eintritt in das Zauberreich, in dem es weder eine Langeweile noch eine dumpfe, drückende Sattheit gab.
    Am Abend schloß Huilsmann alle Türen, ließ die Jalousien vor die Fenster, räumte alle harten Gegenstände aus dem Zimmer, polsterte die Wände rund um den offenen Kamin mit den losen

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