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Zum Nachtisch wilde Früchte

Zum Nachtisch wilde Früchte

Titel: Zum Nachtisch wilde Früchte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Loch in die Tischdecke.
    »Du … Verzeihung, Sie … Himmel, Arsch und Wolkenbruch noch mal … wie siehst du denn aus, Hermann?« stotterte Ritter. »Ich denke, du hast die Fresse … verdammt, ich bin ganz durcheinander … du siehst ja vernünftig aus, aber völlig anders! So etwas gibt es doch nicht!«
    »Alles Gummi, Major«, sagte Schreibert ruhig.
    »Gummi? Teufel noch mal!« Ritter hob die Hand und tastete vorsichtig mit den Fingerspitzen über Schreiberts glattes Gesicht. »Tatsächlich, eine Maske. Kerl, sieht aus wie Natur. Was man heute alles macht! Verflucht, das haut einen um. Ich bekomme einen Schweißausbruch. So wirst du also jetzt immer aussehen? Wissen das die anderen schon?«
    »Nein! Wo ist Alf?«
    »Verreist. Auf Rhodos.«
    »Ach so –«
    »Warum?«
    »Ich habe ihm geschrieben.«
    »Die Post wird nachgeschickt.«
    »Bestimmt?«
    »Du kennst doch Alf! Er organisiert eine Reise wie der Oberquartiermeister den Nachschub einer Armee.« Ritter starrte Schreibert noch immer ungläubig an. Es war unfaßbar, daß Schreibert nun mit einem neuen Gesicht herumlief. Man mußte sich daran gewöhnen, aber es bedurfte dazu starker Nerven. »Ich bin gekommen, um dir zu sagen, daß alles für das Divisionstreffen vorbereitet ist. Es wird eine Bombensache, Hermann! General v. Sachsfeldt wird die Festrede halten. Hinterher werde ich die ›Jugendgruppe des BdD‹ gründen. Der Wehrgedanke und die Vaterlandsliebe müssen schon im Kinderherzen geweckt und gefestigt werden. Wenn man sieht, wie die Stimmung im Volk ist – zum Kotzen, Junge! Als wenn wir nicht gekämpft hätten, sondern nur unsere Uniformen vollschissen! Da muß die Jugend 'ran, Hermann! Wir haben die Pflicht, den soldatischen Geist zu vererben, wo alles verflacht und genußsüchtig wird! Nur ein starkes Volk ist ein ewiges Volk!«
    »Hurra!« sagte Schreibert sarkastisch. »Sag mal, Major, andere Sorgen habt ihr wohl nicht?«
    Ritter warf seine Zigarette in den Kamin, nachdem sie nun auch die Tischplatte angesengt hatte. Er war ein wenig konsterniert, denn er hatte von Schreibert andere Reaktionen erwartet.
    »Ich weiß, Hermann, daß du andere Sorgen hast«, sagte er begütigend. »Wir alle stehen wie ein Mann zu dir! Wir helfen dir, wo wir können, wenn du es verlangst …« Major Konrad Ritter sah wieder kopfschüttelnd in das Gummigesicht Schreiberts.
    »Die alten Kameraden werden wie ich umfallen, wenn sie dich so sehen. Du kommst doch zum Treffen nach Nürnberg.«
    »Ja!« sagte Schreibert fest. Das war eine neue Einstellung. Zuerst hatte er ein abruptes Nein sagen wollen. Er wollte keine Attraktion sein, keine Zirkusnummer: Seht euch den Hermann an! Gummimaske. Jungs, wenn wir das schon 1944 gehabt hätten. Alle Gesichtsverletzten k.v.! Das hätte einen Jubel bei den Stabsärzten gegeben! Und der Goebbels erst! »Mit künstlichen Gesichtern eroberten unsre tapferen Soldaten Stalingrad zurück!« Und die Schlagzeile, nicht zu bezahlen: Die Division der Masken.
    Und Schreibert würde dazwischenstehen, angestarrt wie ein Wundertier, und er würde innerlich heulen wie ein getretener Hund.
    Doch jetzt sagte er ja. Und es war eine ganz nüchterne Überlegung. Vor dem Divisionstreffen kam er nicht mehr mit Alf Boltenstern zusammen. Brieflich alles auszumachen, war zu beschwerlich. Aber in Nürnberg, im Kreise der anderen Kameraden, konnte Schreibert seine Forderungen stellen: Genügend LSD, um den Nordländer unschädlich zu machen, und ein neues Gesicht auch für Corinna Colman, die künftige Frau Schreibert.
    »Komm«, sagte Schreibert und klopfte Major Ritter auf die Schulter. »Gehen wir im Park spazieren. Es ist schön, daß du mich besuchst. Erzähl mir, was sich draußen so alles getan hat. Wie geht es deinem Sohn?«
    »Der ist auf der Balz! Er umgirrt Alfs Jutta.«
    »Und Toni?«
    »Verrückt wie immer. Seit seine Else sich in den Rhein gestürzt hat, gibt er Knipskarten für die Weiber aus, die bei ihm anmarschieren. Er verliert sonst die Kontrolle.«
    Sie lachten, und der erste Schock, die Dumpfheit zwischen einem Kranken und einem Gesunden, waren verflogen.
    Sie gingen in den Park und setzten sich auf eine weiße Bank in der Nähe des Rosengartens.
    Und Konrad Ritter begann wieder von dem großen Tag in Nürnberg zu erzählen, an dem man die Jugend aufrütteln wollte, vaterländisch zu denken und die Schmach von zwei verlorenen Kriegen nicht zu vergessen.
    »Das Versagen der Heimat im letzten Kriegsjahr werde ich besonders in meiner Rede

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