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Zum Nachtisch wilde Früchte

Zum Nachtisch wilde Früchte

Titel: Zum Nachtisch wilde Früchte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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für Schreibert war es etwas anderes, als nur die Gier nach einem makellosen Körper. Er hatte sich in den vergangenen Tagen oft selbst gefragt, ob er nicht doch durch den Unfall einen Hirnschaden mitbekommen habe, aber dann ertappte er sich dabei, daß er zu sich selbst sagte: »Nein, du bist nicht irrsinnig … du liebst diese Corinna wirklich!« Warum? Darauf gab es keine Antwort wie auf so viele Fragen, die Klärung für anomale Reaktionen suchen. Solange Schreibert ein Gesicht hatte und aussah wie ein zufriedener, erfolgreicher Lebemann, spielten die Frauen bei ihm die Rolle wie etwa ein guter Nachtisch oder eine Havanna-Zigarre: Man genoß sie. An echte Liebe hatte er weder gedacht noch sie gesucht noch an sie geglaubt. Auch sein Verhältnis zu Madeleine Saché war eben nur ein Verhältnis, das außerdem noch einen besonderen Marktwert besaß, weil Madeleine als Star-Mannequin Geld in seine Kassen brachte. Aber Liebe? Schreibert hätte früher gelacht, wenn dieses Wort im Freundeskreis gefallen wäre. Für ihn war Liebe nur das Kribbeln unter der Haut gewesen, wenn er eine schöne Frau sah. Und dieses Kribbeln hörte spätestens nach der Nacht auf, die er sich mit List, Geld, Geschenken und manchmal auch mit nachhelfender Gewalt erkaufte.
    Nun war Corinna Colman in sein Leben getreten. Und zum erstenmal sehnte er sich nach einer Frau, obgleich er jeden Teil ihres Körpers kannte, mit Ausnahme des Gesichtes.
    Schreibert überraschte sich selbst dabei, daß er Pläne schmiedete. Corinna und er draußen im Leben … das Modeatelier … vielleicht war Corinnas Gesicht genau wie seines wieder reparabel, nur Geduld mußte man haben, und er würde sie heiraten und es würde ein Himmel um sie sein, denn was bedeuteten ihnen ihre Gesichter, wenn ihre Körper die wahre Liebe in sich verströmten.
    Zwei Tage verließ Schreibert nicht sein Zimmer, nur zu den Mahlzeiten kam er herunter in die große Halle, saß in einer Ecke an einem Einzeltisch und beachtete Corinna und den Nordländer nicht, die zusammen neben dem Kamin saßen wie ein Ehepaar. Dr. Hellerau schwieg ebenfalls, aber er beobachtete alles scharf. Ein paarmal nahm er von Schreiberts Gesicht Abdrücke ab, fotografierte es von allen Seiten und im Detail und begann, mit weichem Ton, wie ein Bildhauer, das Antlitz Schreiberts so zu formen, wie es einmal nach unzähligen kosmetischen Operationen und Transplantationen gestielter Hautlappen aussehen sollte.
    »Gefällt es Ihnen so?« fragte Dr. Hellerau einmal und zeigte Schreibert den Modellkopf. Schreibert hob die Schultern.
    »Sie machen sich eine unendliche Arbeit mit mir, Doktor«, sagte er. »Aber, um ehrlich zu sein, mir ist es gleichgültig, wie ich später aussehe.«
    »Ihr altes Gesicht werde ich nicht wieder hinkriegen, aber eine gewisse Ähnlichkeit doch.« Dr. Hellerau formte mit einem Modellierholz noch etwas an der Nase, ehe er wieder das feuchte Tuch über den Tonkopf Schreiberts legte. »Sie lieben Corinna?« fragte er plötzlich. Schreibert zuckte zusammen. Auf diese Frage war er nicht gefaßt.
    »Ja«, antwortete er dann ehrlich. »Ist das verwunderlich?«
    »Corinna ist ein Schmetterling.« Dr. Hellerau drückte seine Ansicht über Corinna Colman poetisch und vorsichtig aus. »Sie liebt den Wechsel der Blumen.«
    »Sie ist verzweifelt, Doktor.«
    »Worüber verzweifelt?«
    »Ein so herrliches Wunder der Natur, wie sie … und ein zerstörtes Gesicht. Kann man da nicht alle Konventionen von sich werfen?«
    Dr. Hellerau schwieg. Er sah Schreibert nur ein wenig mitleidig an, wie es schien, und wandte sich dann ab zum Fenster.
    »Wollen Sie sehen, wie Corinna ohne ihre Maske aussieht?« fragte er plötzlich.
    Schreibert zuckte erneut zusammen. Unter seiner Kopfhaut jagten Tausende Ameisen. »Um Gottes willen, nein, Doktor!« rief er heiser. »Lassen Sie mir die Illusion ihrer engelreinen Maske.«
    »Sie sollten ihr Gesicht aber doch sehen … vielleicht heilt der Anblick Ihre Liebe.«
    »Und wenn sie wie ein Insekt aussieht … ich will es nicht wissen. Ich liebe sie so, wie ich sie sehe.« Er trat neben Dr. Hellerau an das Fenster. Auf dem Schwimmbecken stand Corinna. Sie hob die Arme in die Sonne, ihr langes goldenes Haar wehte im Sommerwind. Dann sprang sie in das klare Wasser, ein silberner Pfeil. »Ich habe noch nie ein solch herrliches Mädchen gesehen, Doktor«, sagte Schreibert leise.
    Dr. Hellerau schwieg wieder. Nur über sein Gesicht lief ein Zucken, als verberge er eine innere wilde

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