Zum Nachtisch wilde Früchte
konnte, »Sie sehen ein, daß ich der Sieger bin. Daß ich das größte Anrecht auf die Schönheit eines intakten Leibes habe! Benehmen Sie sich wie ein Gentleman, tragen Sie die Niederlage würdig und belästigen Sie uns nicht weiter. Bestätigen Sie es in Gegenwart unseres Gewinns.«
»Sie sind wahrhaftig der Häßlichste!« sagte Schreibert gepreßt.
»Damit haben Sie deutlich auf Corinna verzichtet.« Der Nordländer zog sich seine Maske wieder über … und das war noch schauerlicher, denn die Schönheit seines künstlichen Gesichtes wirkte nun, da man den schrecklichen Untergrund kannte, wie ein höhnischer Aufschrei zu Gott. »Ich mache Sie damit bekannt«, sagte der Nordländer steif, »daß ich Sie als einen Lumpen ansehe und dementsprechend behandeln werde, wenn Sie sich ab sofort Corinna nähern sollten.«
Schreibert hatte seine Gummimaske noch nicht wieder übergezogen. Er schämte sich nicht mehr. Er sah noch aus wie ein Mensch, dieses feste Bewußtsein gab ihm Kraft. Er zerknüllte seine Maske zwischen den Händen. Das Gummi war glatt und glitschig vom Schweiß. »Was sagst du dazu, Corinna!« fragte er stockend. »Ist das nicht alles Wahnsinn? Das alles … das Duell, unsere Häßlichkeit, dieses Auslosen deiner Liebe, als sei sie eine Handelsware, die man ersteigern kann. Wir haben außer unserem Gesicht doch auch unser Herz … ein Gefühl … Mein Gott, ich liebe dich, Corinna!«
»Räumen Sie endlich auf mit Ihren altmodischen Moralitäten. Werfen Sie die Mottenkiste überlebter Romantiken weg!« Der Nordländer legte den Arm um Corinnas Schulter, seine langen Finger streichelten ihren hohen, festen Brustansatz. Eine deutliche Demonstration des Eigentums. Schreibert wurde es übel.
»Natürlich ist Corinna ein Handelsobjekt. Ihr Körper ist eine Ware, die man erwerben kann. Begreifen Sie noch immer nicht, daß wir andere Lebensmaßstäbe haben? Um uns herum ist eine hohe Hecke … sie verbirgt eine Mauer, auf deren oberem Rand Glassplitter liegen. Wie in einem Zuchthaus, mein Lieber. Innerhalb dieser Mauern ist unsere eigene Welt, mit eigenen Gesetzen … was außerhalb der Mauer liegt, wen kümmert es noch?! Sehen Sie sich um … ein Wald, eine Wiese, ein Schwimmbecken, Blumenbeete, ein großes Haus mit sauberen Zimmern, eine Küche, die für unser leibliches Wohlergehen sorgt, über allem ein Himmel, der in der Sonne glänzt oder grau voll Regen ist, genau wie außerhalb der Mauern! Vermissen wir etwas? Ist das nicht eine kleine, abgeschlossene, wunderschöne, ruhige Welt, in der wir leben? Was hat hier die übliche Moral zu suchen? Wie die Spatzen paaren wir uns – das ist ganz natürlich. Uns geht die Welt da draußen nichts mehr an!«
»Aber mich!« sagte Schreibert laut. Noch immer hielt er seine Gummimaske in der Hand und sah Corinna an. »Ich will wieder zurück in die andere Welt! Ich will mein Gesicht operieren lassen, ich will wieder leben, wie ein richtiger Mensch, ich will nicht begraben werden mit einer Maske über dem Gesicht. Ich habe noch nicht wie ihr alle resigniert!«
»Er ist ein Spinner, Liebste«, sagte der Nordländer verächtlich. »Siehst du, daß du einem Unwürdigen deinen Körper gegeben hast? Komm, laß ihn allein … er will wieder zurück in die Welt. Er paßt nicht zu uns … er verrät uns … Meine gute Erziehung verbietet mir, ihn einfach anzuspucken. Wissen Sie überhaupt, wer ich bin, mein Herr?«
»Das interessiert mich nicht!« schrie Schreibert.
»Ich verachte Sie!« Der Nordländer zog Corinna an sich, und sie hob sich auf die Zehenspitzen und küßte seinen zuckenden Adamsapfel, ein Bild, das Schreibert fast um den Verstand brachte. »Sprechen Sie mit Dr. Hellerau, verlangen Sie Ihre Verlegung in ein anderes Haus … Sie sind zu hübsch für uns … Sie stören uns!«
Schreibert blieb im Wald, bis Corinna und der Nordländer zum Schwimmbad gegangen waren und sich dort unter den Sonnenschirmen niederließen. Dann ging auch er zurück zum Haus, schloß sich in sein Zimmer ein und starrte hinaus in den Park und auf den weißen, engen Bikini Corinnas, der in der Sonne gleißte wie geschmolzenes Silber.
Für Schreibert war es klar, daß er auf Corinna nicht verzichtete. Das Duell war in seinen Augen ein kindischer Blödsinn. Zwar war ihm bewußt, daß er die Feindschaft des Nordländers erwerben würde, wenn er sich trotzdem um Corinna kümmerte, und es würde eine Feindschaft werden, die keine Rücksicht auf Gesetz und Sitte nehmen würde, aber
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