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Zum Nachtisch wilde Früchte

Zum Nachtisch wilde Früchte

Titel: Zum Nachtisch wilde Früchte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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spürte instinktiv, daß er hier einer Gefahr gegenüberstand, die er nur mit Gewalt zum Schweigen bringen konnte.
    Seine Flucht nach St.-Tropez in die atemlose Angst, die das schlafende Tier im Menschen weckt und zum Vernichter werden läßt.
    Die rote Mary war glücklich. Ihr Leben hatte sich bisher nur unter der Dunstglocke des Ruhrgebietes entwickelt, abgesehen von einigen kleinen Ausflügen nach Düsseldorf und einmal sogar nach Paris. Von Paris konnte sie allerdings später recht wenig erzählen … sie kannte nur von der sagenhaften Stadt ihres Gewerbes ein Doppelbett im Hotel ›Eremitage‹ und ein halbdunkles großes Zimmer in einer Villa in den Seineniederungen. Außerdem brachte sie eine gewisse Hochachtung von ihren französischen Kolleginnen mit. »Das sind raffinierte Biester!« erzählte sie später in Dortmund. »Die tun die Hälfte, was wir anstellen, und kassieren das Doppelte. Alles nur Schau! Kinder, da kann man noch was lernen!«
    Sonst aber war das Leben der roten Mary ausgesprochen mies, zumal es ihr noch nicht gelungen war, die feste Freundin eines Industriellen zu werden.
    Nun aber war sie in St.-Tropez, und sie sah, daß man selbst im verwöhnten Frankreich noch Chancen hatte, sich emporzuarbeiten, wenn man etwas zu bieten hatte. Und Mary, das wissen wir, hatte etwas zu bieten. Daß ihr der alte Bekannte Huilsmann über den Weg lief, nahm sie als gutes Zeichen. Empfehlungen sind im geschäftlichen Leben das Salz in der Suppe … ob man nun Millionär ist oder bloß eine kleine Nutte aus dem Ruhrgebiet.
    »Freust du dich?« fragte die rote Mary unnötigerweise und setzte sich neben Huilsmann auf einen Barhocker. Sie roch stark nach Veilchen, wie er feststellte.
    »Und wie!« Huilsmann nahm einen tiefen Schluck Pernod. »Zum Teufel sollst du gehen!«
    »Inkognito, was?« fragte die rote Mary und blinzelte vertraut. »Ich verrate nichts, mein Kleiner! Mir kommt das überhaupt wie ein dummer Film vor. Gestern noch in 'ner Mietskaserne, und heute geh' ich am Hafen lang, und wer guckt mich an wie 'n Kannibale? Der Rossa! Weißt du, der Sänger. Davon hab' ich nie geträumt …«
    Huilsmann interessierte sich wenig für die seelische Verfassung der roten Mary. Er kannte die Mentalität dieser Mädchen zu gut und wußte, daß auch Mary in Kürze mit offener Hand dastehen würde. Wissen ist ein Kapital.
    »Wo wohnst du?« fragte er und trank seinen Pernod aus.
    »In einer Pension am Hafen. Kleines, nach Fisch stinkendes Zimmer. Mit dem, was ich in der Tasche habe, kann ich nicht hüpfen wie 'n Känguruh. Aber nun bist du ja da, und ich nehme an, ich bekomme von dir ein vernünftiges Zimmer.«
    »Wieso bist du in St.-Tropez?« fragte Huilsmann, schob dem Barkeeper einen Schein über die blanke Barplatte und ließ sich vom hohen Hocker gleiten.
    Die rote Mary dachte an die wenigen Worte, die sie mit Jutta gewechselt hatte, und ihr Gesicht erstarrte etwas.
    »Wer fragt, weiß zuviel!« sagte sie hart. »Ich bin hier, genügt das nicht? Ich hab' noch nicht einmal die Koffer ausgepackt, und schon ist mein Notizbuch voll! Aber lieber ist mir so einer wie du! Nur mit dem Sauzeug, diesem LSD, bleib mir von der Figur! Hast du was?«
    »Nein!« sagte Huilsmann heiser.
    »Gott sei Dank!« Die rote Mary rutschte an seine Seite. »Weißt du übrigens, daß die Kripo alle von uns verhört hat? Wegen dieser Party bei dir? Natürlich war keine von uns dabei. Muß ja ein dicker Hund gewesen sein, damals! Ist wirklich einer ermordet worden?«
    In Huilsmann wurde es kalt, als habe man ihn in eine Tiefkühltruhe geschoben. Er sah sich um, schob die rote Mary vor sich her aus der Bar ›Carmichel‹ und atmete erst auf, als sie auf der Straße standen. Der Salzwind des Meeres zerzauste ihre Haare. Es roch nach Tang, Maschinenöl, Fischen und getrocknetem Schlamm.
    »Halt den Mund!« sagte er grob. »Du hast nichts gesehen! Wir alle haben nichts gesehen!«
    »Es ist merkwürdig!« Die rote Mary blieb stehen und schüttelte die brandroten Locken. »Ihr haltet uns alle für doof! Warum eigentlich? Weil wir nicht mit 'n Hirn, sondern mit 'n Hintern arbeiten? Damals, bei dir, ist eine ganz große Sauerei passiert, und ich sehe eigentlich nicht ein, warum man so etwas nicht verkaufen kann.«
    »Verkaufen?« Huilsmann sah die rote Mary von der Seite an. Sein blasses, jungenhaftes Gesicht war maskenhaft und um Jahre älter geworden. »Was heißt das?«
    »Du bist doch Millionär, nicht wahr?«
    »Quatsch.«
    »Das sagen sie

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