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Zum Nachtisch wilde Früchte

Zum Nachtisch wilde Früchte

Titel: Zum Nachtisch wilde Früchte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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versteckte sich unter der Couch.
    »Sie flüchtet …«, stammelte Jutta fassungslos. »Die Katze flüchtet vor der kleinen Maus … Sie hat Angst …«
    »Murmel ist im LSD-Rausch. Sie sieht Flöckchen riesengroß, eine Mammutmaus, die sie zermalmen will.« Werner Ritter fing die kleine weiße Maus wieder ein und tat sie zurück in den Karton. Um Murmel kümmerte er sich nicht mehr … sie lag angsterfüllt an der Wand unter der Couch und zitterte vor Furcht. »So verändert LSD den Charakter. So wandelt es das Wesen völlig um. Aus Raubtieren werden Feiglinge … aus Feiglingen mutige Löwen. Kannst du dir vorstellen, wie ein Mensch darauf reagiert? Was aus einem normalen Menschen werden kann, wenn er LSD nimmt? Wir sehen hier in Abgründe, deren Boden gar nicht erkennbar ist. Für die Kriminalität kommen hier Probleme, denen wir noch nicht gewachsen sind.«
    Jutta verstand, was Werner Ritter damit andeutete.
    Das rauschende Fest am 21. Mai bei Toni Huilsmann.
    Der Tod Richard Erlangers. Erwürgt, mit einem Seidenschal um den Hals.
    Und sie dachte an die rote Mary, die genau wußte, was in dieser Nacht geschehen war. Die das sagen konnte, wonach Werner Ritter suchte, wie ein Blinder, der ein Geldstück auf der Straße klingeln hört und nun herumkriecht, um es zu finden.
    Am nächsten Tag handelte Jutta schnell und überlegt.
    Sie fuhr nach Dortmund und fragte sich bei den Kolleginnen der roten Mary durch, bis sie ihr Zimmer fand. Es lag in der Nähe des Steinplatzes hinter dem Bahnhof, ein großes Zimmer in einem Altbau, in dem es nach Sauerkohl und französischem Parfüm roch.
    »Unsere Königin der Kö!« rief Mary, als Jutta eintrat, denn die Tür war nicht verriegelt. Mary lag halb entkleidet im Bett und rauchte. Morgenkundschaft lehnte sie ab … es genügte, wenn man sich die Nacht um die Ohren schlug. »Was willste, Puppe? Knapp bei Kasse? Hier im Revier ist nichts mehr frei!«
    »Hast du Lust zu verreisen?« fragte Jutta und setzte sich auf Marys schmuddeliges Bett. »Weit weg … für ein paar Wochen …?«
    »Besoffen, Kleine?«
    »Ich will, daß du wegfährst!« sagte Jutta hart. »Und ich will, daß du den Mund hältst von der Nacht damals, mit dem LSD …«
    »Oha! Es weht der Wind von Süden! Ist wohl dein Krabbelhündchen einer von der Sorte, was?« Die rote Mary lachte fett. »Was bietest du?«
    »Hier hast du 3.000 Mark! Das reicht. Wie ich dich kenne, Verdienste dir genug dazu.«
    »Und ob! Wer reitet so spät durch Nacht und Wind … es ist die Mary, mach ihr kein Kind …! Frei nach Goethe!« Die rote Mary lachte wieder und sprang aus dem Bett. »Wohin soll ich denn, mein Süßes? Nach Rio reicht's nicht.«
    »Wohin, ist mir gleich.« Jutta stand von dem Bett auf. Es kostete eine Überwindung, so zu sprechen, wie es Mary am besten verstand. »Nur eins sage ich dir … wenn du nicht fährst – ich lasse dir die Fresse polieren!«
    »Verstehe!« Die rote Mary war plötzlich sehr ernst. Sie erinnerte sich daran, daß man im Frühjahr einer Kollegin Salzsäure ins Gesicht geschüttet hatte. Bis heute wußte keiner, wer es war. »Ich fahre. Und wann?«
    »Heute noch.«
    »Morgen! Heute nacht hab ich 'nen Kunden, der zahlt Sondertarif. Ein perverses Luder. Tut nichts. Guckt nur zu, wie ich auf 'n Nachtpott sitze wie 'n Baby. Und dafür 300 Mark! Engelchen, leichter kann man's nicht verdienen.«
    »Also dann morgen! Ich kontrolliere morgen abend.«
    »Ehrenwort!« sagte die rote Mary. Und es war nicht zum Lachen … das Ehrenwort einer Hure ist oftmals mehr wert als der Schwur eines Ehrenmannes.
    Und Mary fuhr am nächsten Morgen weg. In den Süden. Zu ihrer immer schon großen Sehnsucht: An die Riviera. Und ausgerechnet nach St.-Tropez, weil davon so viel in den Illustrierten stand. Filmstars, Playboys, reiche Männer.
    Die rote Mary brach in St.-Tropez ein wie ein rotes Schneegestöber. Nach vier Stunden war sie im Hafen bekannt, nach sechs Stunden hatte sie im Notizbuch zwölf Adressen und neun feste Bestellungen.
    »Das Pflaster schwitzt ja Geld!« sagte die rote Mary ergriffen. »Mädchen, hier sollte man seßhaft werden!«
    Am Abend sah sie dann Toni Huilsmann. Es war ein fatales Wiedersehen, denn in der Bar ›Carmichel‹, wo Huilsmann brav seinen Pernod trank, hieb ihm plötzlich jemand auf die Schulter und rief:
    »Na, du alter Giftschlucker! Auch hier? Wie geht's den anderen Knaben?«
    Toni Huilsmann wurde etwas blasser, als er schon war. Er erkannte die rote Mary sofort wieder und

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