Zum Sterben schoen
abgetragene Sachen und einen langen grauen Regenmantel. Sie sagte, er war schmutzig und zerrissen. Von dem Mann konnte sie keine genauere Beschreibung geben, als dass er dünn war und einen spärlichen Bart hatte. Sie erzählte uns, dass sie gerade den Sicherheitsdienst rufen wollte, aber dann sah sie, dass er auf die Eingangstür zusteuerte, und dachte, er wollte gehen. Ungeduldige Käufer zerrten sie dann in zwanzig verschiedene Richtungen.«
»Eine Kundin erinnerte sich daran, dass der Mann sich neben das kleine Mädchen gehockt und mit ihm gesprochen hatte. Sie berichtete, die Mutter hätte sich zur Kasse durchgeboxt und wühlte in ihrer Handtasche nach der Kundenkreditkarte. Ihr fiel nicht auf, dass ihre Tochter mit einem Fremden redete. Danach sei der Mann aufgestanden und weggegangen, erzählte die Kundin.«
»Nahm er das kleine Mädchen mit?«
Noah beantwortete die Frage nicht. »Eine andere Kundin gab an, sie sei beinahe über das Kind gestolpert, als es vor ihr quer über den Weg schoss. Das kleine Mädchen jagte die Katze«, fügte er hinzu. »Etwa fünf oder zehn Minuten später suchte die Mutter hektisch nach ihrer Tochter. Alle halfen ihr natürlich, und dann fiel der Verkäuferin der Mann im Regenmantel ein, und die Kundin erinnerte sich, gesehen zu haben, wie er das Kind mitnahm. Der Sicherheitsbeamte rief die Polizei, der Besitzer das FBI. Zu seiner Ehre sei gesagt, dass Wesson schnell dort eintraf. Morganstern bekam den Anruf von Wessons Vorgesetztem und wollte, dass Nick und ich dort ein bisschen Erfahrung sammelten. Deshalb schickte er uns dorthin, aber wir trafen beide erst spät am Abend ein. Ich kam aus Chicago und Nick erwischte ein Flugzeug aus Dallas. Er traf etwa fünfzehn Minuten vor mir ein, mietete sich ein Auto, besorgte sich eine Karte und holte mich ab.«
»Wesson war nicht glücklich, euch zu sehen, was?«
»Das ist noch gelinde ausgedrückt. Uns war das jedoch egal. Er war nicht unser Vorgesetzter. Wir waren Morganstern verantwortlich und niemandem sonst. Wesson war äußerst ungern bereit, uns seine Erkenntnisse mitzuteilen, und das kotzte … ich meine, das machte Nick wütend. Wenn er wütend wird, hat er noch üblere Laune als ich«, stellte Noah mit Bewunderung in der Stimme fest.
»Was tat er?«
»Er teilte Wesson klipp und klar mit, was er von ihm hielt. Nick hätte diplomatischer sein können, auf jeden Fall trieb er Wesson in die Enge, und daraufhin teilte Wesson ihm mit, dass er einen Verdächtigen hätte und dass die Situation unter Kontrolle sei, was natürlich nicht der Fall war. Wesson erklärte außerdem, dass Morgansterns Team eine Zeit- und Geldverschwendung sei und dass Nick und ich doch nach Hause gehen und uns einen richtigen Job suchen sollten.«
»Mit anderen Worten, haltet euch raus.«
»Ja«, sagte Noah. »Natürlich war es uns völlig egal, was Wesson dachte oder wollte. Wir hatten einen Job zu erledigen und das würden wir mit oder ohne seine Zustimmung tun. Während Nick sich umschaute, zog ich einen der anderen Agenten beiseite und las seine Notizen.«
»War mit dem kleinen Mädchen alles in Ordnung? Sagen Sie’s mir bitte. Fanden Sie sie rechtzeitig?«
»Ja, danke Nick«, sagte er. »Es war eine dieser viel zu seltenen Geschichten mit glücklichem Ausgang.«
»Wie fand er sie?«
»Dazu komme ich noch«, verzögerte Noah die Antwort. »Alle hatten das Geschäft verlassen. Es war etwa zwei Uhr morgens und fror im Gebäude. Wesson hatte in der Polizeiwache ein paar Blocks entfernt eine Kommandozentrale eingerichtet, jeder verfügbare Mann war draußen auf den Straßen und suchte nach dem Mann im Regenmantel. Nick und ich standen am Straßenrand vor dem Geschäft und überlegten uns, was wir tun sollten. Der Sicherheitsbeamte schloss gerade die Türen, um nach Hause zu gehen, als Nick ihm mitteilte, dass er noch einmal hineingehen wollte. Er überzeugte den alten Mann, die Alarmanlage auszuschalten und uns die Schlüssel zu geben.«
»Wir suchten beide noch einmal das ganze Gebäude von oben bis unten ab, fanden aber nichts. Deshalb gingen wir wieder. Ich fuhr«, sagte er. »Ich wusste gar nicht genau, wohin ich eigentlich steuerte. Ich versuchte nur, einen klaren Kopf zu bekommen, so wie Morganstern uns das beigebracht hatte, und ich erinnere mich, dass ich gerade an einem Krankenhaus vorbeigefahren war, als ich Nick fragte, was wir zum Teufel tun sollten, weil Wesson uns so beiseite gedrängt hatte.«
Noah machte eine Pause, lächelte und
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