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Zum Tee in Kaschmir

Titel: Zum Tee in Kaschmir Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nazneen Sheikh
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Nation ausgesprochen hatte, ihn auf seinem Sommersitz zu besuchen. Einmal kam sogar der Regierungschef, der ein persönlicher Freund meines Vaters war, begleitet von einem ganzen Tross von Sicherheitsbeamten, die sich mit ständig quakenden und knisternden Walkie-Talkies rund um das Haus herum postierten. Ein zu Tode erschrockener Diener kam daraufhin ins Wohnzimmer gestürzt, um zu verkünden, dass Soldaten gekommen seien, um den gesamten Haushalt zu verhaften.
    Meine Mutter machte keinen Unterschied zwischen dem Tee, den sie dem Präsidenten draußen im Garten servierte, und dem, den die Sicherheitskräfte draußen vor dem Tor bekamen. Appetitliche Backwaren und heißes Schmalzgebäck aus Kichererbsenmehl, gefüllt mit Zwiebeln und Kartoffeln, wurden schnell und in großen Mengen produziert. Tee wurde literweise in großen Kesseln gekocht, in Teekannen gefüllt und zusammen mit Krügen mit warmer Milch auf Tabletts gestellt, um schließlich nach draußen gebracht zu werden. Die kaschmirische Gastfreundschaft kannte keine Grenzen, und meine Mutter stand voll und ganz hinter diesem Mantra.
    Mein Vater kochte nie, er reparierte weder irgendwelche Geräte, noch verstand er etwas von der Technik der Autos, die er gelegentlich fuhr. Stattdessen spielte er ausgezeichnet Bridge, schwamm hervorragend und war ein anerkannt guter Schachspieler. Er rezitierte außerdem spontan Gedichte und liebte das Abenteuer. Unser Sommerhaus in den Bergen hatte er unter anderem auch als Ersatz für das verlorene Haus in Srinagar erworben, weil er der Ansicht war, dass seiner Familie der Charme einer ländlichen Umgebung, sozusagen als Gegengewicht zum Leben in der kosmopolitischen Hauptstadt Karatschi, guttun würde.
    Diese Sicht der Dinge war auch der Grund dafür, dass er, obwohl er die kulinarischen Köstlichkeiten, die meine Mutter auf den Tisch brachte, durchaus zu schätzten wusste, auch gern naturbelassene Lebensmittel aß, um auf diese Weise einen ganzheitlicheren Lebensstil zu pflegen. Während unserer Ausfahrten aufs Land hofften wir Kinder stets inständig, dass nicht zufällig eine Herde von Ziegen am Straßenrand auftauchte. Das nämlich bedeutete, dass mein Vater den Wagen umgehend anhielt und um einen Becher frische Ziegenmilch bat, die wir dann unbedingt probieren mussten, weil sie so gesund sei. Der saure Geschmack und der Hautgout lösten bei uns allen einen Anflug von Übelkeit aus, und wir wichen entsetzt davor zurück, um uns dann anhören zu müssen, dass wir feige wären.
    In einem Sommer plante mein Vater einen ganz besonderen Ausflug. Wir würden unsere geliebten Berge verlassen und die Stadt Sialkot im Ostpandschab nahe der indischen Grenze besuchen. In dieser Stadt befand sich der Familiensitz seiner Vorfahren väterlicherseits, die dort früher eine Papierfabrik besessen hatten. Er hatte vor, zu Ehren seiner Vorfahren eine wohltätige Spende zu tätigen, und außerdem sollten wir Kinder einige entfernte Verwandte kennen lernen, die dort noch lebten. Es war dies ein reiner Familienausflug, und deshalb würde mein Vater uns auch höchstpersönlich fahren.
    Am nächsten Morgen setzte er sich also unbekümmert ans Steuer eines deutschen Mittelklassewagens und ignorierte dabei geflissentlich den besorgten Blick unseres Chauffeurs. Neben ihm saß meine Mutter und strickte einen meergrünen Wollpullover, während wir Kinder uns auf den Rücksitz zwängten. Die Fahrt würde vier Stunden dauern.
    Noch bevor es Mittag war, hatten wir die Sandwiches mit Lamm und Minz-Chutney, die meine Mutter als Proviant für die Reise eingepackt hatte, bereits alle aufgegessen. Jetzt starrten wir aus dem fahrenden Auto heraus sehnsüchtig die Verkaufsstände der Lebensmittelhändler am Straßenrand an. Meine Mutter hatte uns jedoch sowohl die dort angebotenen Pakoras, ein frittiertes Schmalzgebäck, als auch den kastanienbraunen Granatapfelsaft verboten, der dort verkauft wurde. Die Worte »Keime« und »eine sichere Methode, um Hepatitis zu bekommen« ließen bei uns auf dem Rücksitz sowohl unseren Unmut als auch unseren Appetit wachsen.
    Mein Vater besänftigte uns mit dem Versprechen, dass uns schon bald ein echter Festschmaus erwarte. Wir würden in Sialkot im berühmten Hotel Amelia zu Mittag essen. Essen zu gehen war für uns immer etwas ganz Besonderes, denn wir besuchten in Karatschi nur ganz

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