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Zum Tee in Kaschmir

Titel: Zum Tee in Kaschmir Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nazneen Sheikh
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ersten Stock aus wanden sich zwei Treppen in die gigantische Eingangshalle herunter. Offensichtlich verlangte es die Etikette, dass der König und die Königin stets auf zwei getrennten Treppen herabkamen. Im ersten Stock führte ein schier endloser Korridor an einer Reihe von Türen entlang, hinter denen sich riesige Zimmer befanden. Eben hier wurde unsere Familie mitten im kalten Winter einquartiert. Das Problem war, dass diese ganze Pracht leider unbeheizt war.
    Naazis Antwort darauf war, dass sie in ihrem Zimmer unverzüglich ein geheimes Treffen abhielt, während sie in ihre Daunendecke eingewickelt auf dem Bett saß. Ein Roman mit Eselsohren, ein Aschenbecher und eine Schachtel mit Zigaretten lagen neben ihr auf dem Nachttisch. Ein Frühstückstablett, das man in der Küche hergerichtet und dann den kilometerlangen Flur entlanggetragen hatte, stand unberührt auf einem weiteren kleinen Tisch. Offensichtlich hatten ihr das erstarrte Omelett und der kalte Toast mit seiner wächsernen Schicht Butter gründlich den Appetit verdorben. Die riesigen Kamine in den Schlafzimmern waren ohne Feuer, und das Personal blieb ärgerlicherweise äußerst schweigsam, was die Antwort auf die Frage anging, ob man sie nicht anheizen könne.
    Ich erwartete schon fast, dass Naazi sich aus ihrem Kokon schälen, mit uns in den Garten marschieren und dort Feuerholz hacken würde, um dann im Kamin Kebabs zu braten. Sie verkündete jedoch, dass wir, um der eiskalten Unterkunft zu entfliehen, einen heimlichen Ausflug zum berühmten Khaiberpass machen würden, wo es exzellentes Kabuler Pulao und Seekh-Kebabs gäbe. Die Kebabs und das Reis-Pulao dieser Region würden sich durch das Fleisch und die Gewürze, die man verwendete, erheblich von den Gerichten unterscheiden, die wir kannten. Sie hatte für diesen Ausflug nur eine Hand voll glücklicher Kandidaten ausgewählt, damit es meiner Schwester und meinem Schwager nicht auffiel, dass jemand von den Gästen fehlte. Da ihre ältere Schwester nicht mitfahren würde, hoffte Naazi, dass ihre eigene Abwesenheit nicht bemerkt würde.
    Bis zum Khaiberpass hinauf waren es etwas mehr als fünfzig Kilometer. Die eigentliche Passstraße begann ein kleines Stück westlich von Peshawar und führte dann mitten durch den Hindukusch. Sie wurde von Männern vom Stamm der Afridi, die den Pass auf pakistanischer Seite als Schutzgebiet ihres Stammes ansahen, durch Patrouillen gesichert. Hinter Torkham wurde die afghanische Grenze dann von den Shinwari-Stämmen Afghanistans gesichert. Nur wenige Meter von der Hauptstraße entfernt wurden das geltende pakistanische und das afghanische Recht vom Stammesrecht abgelöst. Reisende mussten sich grundsätzlich von bewaffneten Eskorten begleiten lassen.
    Obwohl wir keine Invasion der Chinesen, Perser, Griechen oder Moguln zu fürchten hatten, verliehen die Geschichten, die sich um den Khaiberpass rankten, unserer Exkursion etwas Abenteuerliches. Wir wären auch nur ein paar Stunden unterwegs und rechtzeitig zu Beginn der Hochzeitsfestlichkeiten wieder zurück. Also quetschten wir uns unter dem Vorwand, zum Einkaufen fahren zu wollen, ins Auto. Tante Naazi saß vorn neben dem Fahrer. Eine halbe Stunde später hatten wir die Stadt bereits weit hinter uns gelassen und fuhren die kurvenreiche Straße zum Pass hinauf. Wir sahen Rauch aus winzigen Behausungen aufsteigen, die man in die Berghänge gehauen hatte. Hin und wieder kam uns ein Bus entgegen, in dem bärtige Stammesangehörige saßen. Mit ihren Gewehren an der Schulter, den Munitionsgürteln schräg über der Brust und den Turbanen, mit deren Enden sie ihre Gesichter verhüllt hatten, unterschieden sie sich augenfällig von den anderen Menschen dieses Landes. Überraschenderweise hatte sogar Naazi aus Rücksicht auf die hier herrschende Kultur ihr Haar mit einem Schultertuch bedeckt. Außerdem trug sie wie immer die Armeesonnenbrille ihres Mannes.
    Armeeposten, Kontrollpunkte und in den Fels gehauene Ehrenmäler für britische Regimenter zogen in rascher Folge an uns vorbei, während wir uns unserem ersten Ziel näherten. Schäfer mit ihren Herden sprenkelten den Bergpass. Wir sahen jedoch keine Frauen. Unsere erste Rast machten wir in Landi Kotal. Der kleine Ort konnte auf eine lange Tradition als Schmugglerstadt zurückblicken. Waffen, Elektrogeräte und chinesische Seidenstoffe wurden

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