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Zum Tee in Kaschmir

Titel: Zum Tee in Kaschmir Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nazneen Sheikh
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Grenzgebietes von Pakistan. Diese Provinz wurde einst als das Tor zu Indien angesehen und galt schon immer als unregierbar. Die Paschtu sprechenden Angehörigen der hier ansässigen Stämme waren allesamt hervorragende Schützen und kühne Reiter. Sie gaben sich ihre eigenen Gesetze, hielten an ihren kulturellen Eigenheiten fest und streiften, geschützt durch ihre Stammesverbände, frei umher.
    Die erste dokumentierte Invasion dieser Region erfolgte durch die Chinesen. Sie brachten den Buddhismus mit. Dann kamen die kriegerischen afghanischen Könige, die diese Region sozusagen als ihren Hinterhof ansahen. Später durchquerte der persische Eroberer Nadir Shah dieses Gebiet auf seinem Weg nach Delhi. In seiner Begleitung befand sich sein hochgebildeter General Ahmad Shah Durrani, der später im benachbarten Afghanistan ein Königreich aufbauen sollte. Dieses wurde dann durch den territorialen Herrschaftsanspruch des Sikh-Herrschers Ranjit Singh abgelöst, der auch das Gebiet der Pathanen annektierte, bis die Moguln dort einfielen und es in Besitz nahmen. Im fünfzehnten Jahrhundert war es der Mogulherrscher Babur, der über den Khaiberpass einfiel. Im Jahre 1581 schließlich ließ der Großmogul Akbar die Festung Attock erbauen, um die Grenze zu Afghanistan zu sichern.
    Durch den Bezirk Mardan fließen die Flüsse Kabul und Indus, wobei die Stadt Nowshera in einer Sandebene am Ufer des Kabul liegt. Obwohl in den beiden Flüssen jeweils zwei Fischarten, nämlich der Rao und der Mahasher, heimisch sind, finden sie in der regionalen Küche so gut wie keine Verwendung. Die Grundlage der meisten Speisen bildet gegrilltes Fleisch, denn in dieser rauen und unwirtlichen Gegend, zu der man nur über in den Felsen gehauene Wege Zugang erhält, gibt es weder größere Wälder noch fruchtbares Ackerland.
    Das einheimische Federwild, vor allem Enten und Rebhühner, wird gegrillt und gilt als regionale Delikatesse. Enten werden auch mit Gewürzen mariniert und anschließend mit Zwiebeln, Yoghurt und Garam Masala gebraten. Kurkuma und Wasser vertreiben dabei den Wildgeruch.
    Obwohl man in dieser Gegend ein paar Hotels errichtet, staatliche Rasthäuser gebaut und das Verkehrsnetz ausgebaut hat, halten die Menschen hier unbeirrt an ihrer Stammeskultur fest. Sie entfachen noch immer Lagerfeuer, um sich zu wärmen, und bereiten ihre traditionellen Speisen zu. Eine feinere Küche hat sich in diesen Grenzgebieten nie durchzusetzen vermocht. Kebabs aus gewürfeltem oder gehacktem Fleisch werden sowohl auf den Marktplätzen unter freiem Himmel als auch in den heimischen Küchen gegrillt. Ein Rebhuhn, auf einen Pathanen-Dolch gespießt und über Kohlen geröstet, ist noch immer weit beliebter als das Fleisch, das in dem komplizierteren Lehmofen, dem Tandoor gebraten wird. Die einfachen Salate, die als Beilage gegessen werden, bestehen aus Zwiebeln und Tomaten und triefen vor Essig.
    Manche Gerichte werden auch in der kardhai zubereitet, einer flachen Stahlpfanne mit zwei seitlich angebrachten Griffen, die dem chinesischen Wok ähnelt. Chinesische Einflüsse zeigen sich jedoch nicht nur in den Küchengeräten sondern auch in der Architektur. So nimmt man zum Beispiel an, dass die berühmte Mogul-Festung Attock auf den Überresten eines chinesischen Palastes errichtet wurde. Die Raffinesse der persischen Kochkunst fehlt dieser Küche jedoch völlig. In diesem Gebiet, das seit jeher als kriegerisch gilt, wird das Essen in kürzester Zeit gegrillt oder gebraten, so als könne jeden Moment ein Kampf auf Leben und Tod ausbrechen oder ein Angreifer an die Tore hämmern.

    Tante Dil-Nawaz war von der Stationierung ihres Mannes in dieser Region begeistert. Sie sprach schon nach kürzester Zeit fließend Paschtu und lernte schnell, die regionalen Gerichte zuzubereiten. Sie weigerte sich allerdings kategorisch, der ultrakonservativen Sitte der Pathanen zu folgen, wonach Frauen ein Kopftuch oder sogar einen Schleier zu tragen hätten. Als kleines Zugeständnis an die hiesige Kultur setzte sie in der Öffentlichkeit eine dunkle Sonnenbrille auf. Aber auch wenn Major Ahsans Ehefrau viele missbilligende Blicke erntete, wenn sie mit unbedecktem Kopf durch die Bazare bummelte und Kebab-Spieße kaufte, gewann sie doch schnell viele einheimische Freunde. Und dies lag vor allem an ihrer kaschmirischen Küche. Wir wiederum sollten ihrer Ansicht nach

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