Zum Teufel mit David!: Roman (German Edition)
schlechtes Gewissen, weil ich nicht früher hergekommen bin, aber ich hatte so viel zu tun.« Das war nicht gelogen, sie war sehr beschäftigt gewesen.
Jill erriet möglicherweise den wahren Grund für Pollys Abwesenheit und änderte das Thema. »Wie kommst du mit deiner Töpferkunst voran?«
»Nicht schlecht. Ich war letzte Woche auf einer Messe, und ein Mann, der nach Waren für ein Londoner Geschäft Ausschau hielt, kam an meinen Stand. Er sagte, meine Sachen wären genau das, was er suche. Aber da ich die Werkstatt nur teilweise benutzen kann, wird es eine Weile dauern, bis ich genügend Stücke anfertigen kann.«
»Du brauchst einfach einen Kerl, der dich sponsert.«
»Wie bitte?« Konnte Jill Gedanken lesen? Wußte sie über David Bescheid?
»Einen netten alten Herrn, der dir eine eigene Werkstatt einrichtet, damit du den Job im Vollwertkostcafe aufgeben und ganztags töpfern kannst.«
In Laureton hieß es, daß früher oder später jeder einmal im Vollwertkostcafe arbeitete, aber die meisten Leute konnten letzten Endes wieder abspringen. Jill hatte das vor zwei Jahren geschafft, als sie ein Baby bekommen hatte.
»Ja, aber ich würde die Leute vermissen, wenn ich das könnte.«
»Aber nicht die anstrengenden Stunden, die du auf den Beinen bist, und die Hitze im Sommer oder die Kisten mit Gemüse, die du diese steilen, engen Treppen hinauf und hinunter schleppen mußt. Das ist harte Arbeit, Polly.«
»Ich weiß. Aber der Job bringt ein bißchen Geld, und ich liebe die Stammkunden und die Menschen, mit denen ich zusammen arbeite. Übrigens – Bridget hat mir Schokoladenkekse mitgegeben.«
»Oh, gut. Hast du was Heißes zu trinken dabei?«
»Ja, und zwei Wärmflaschen, einen Schlafsack und Decken.«
»Und hast du auch genügend Klamotten an?«
»Wenn ich mehr anhätte, wäre ich bewegungsunfähig.«
Jill lachte. »Wenn ich hier runterfalle, dann pralle ich wie ein Gummiball unten ab.«
»Mach keine Witze über so was, Jill.«
»’tschuldigung. Wir sollten uns häuslich niederlassen und versuchen, ein bißchen zu schlafen, ehe die Pubs schließen.«
»Kannst du hier überhaupt schlafen?«
»Klar, wenn’s ruhig ist. Davon kann in den Nächten von Samstag auf Sonntag leider keine Rede sein.«
»Wieso nicht?«
»Die Skins schmeißen Bierdosen und andere Sachen auf uns. Sie sind bis jetzt nicht richtig gewaltätig geworden, aber es ist nicht gerade angenehm. Es wäre gut, wenn wir mehr Männer hier oben hätten.«
»Jill, das ist eine politisch unhaltbare Äußerung für eine Feministin.«
»Kein Mensch hat abgestritten, daß Männer eine wichtige Rolle in der Gesellschaft spielen.«
»Ach nein?«
»Nein. Es gibt Zeiten, in denen brutale Kraft und Ignoranz gefragt sind. Ein Jammer, daß du keinen Freund hast, den du hättest mitbringen können, Polly«, fügte Jill bissig hinzu.
Polly war ebenso spröde. »Ja, nicht wahr?«
Glücklicherweise wurden Jills weitere Auslassungen von der Tagschicht unterbrochen. »He, ihr, wir hauen jetzt ab.« Zwei Frauen und ein halbes Dutzend junger Männer tauchten auf der anderen Seite des Dachs auf. Sie waren so bepackt mit Taschen und Decken, daß sie aussahen wie ein Grüppchen von Flüchtlingen. »Kommt ihr ohne uns klar?«
»Soll das ein Angebot sein, daß ihr bleibt?« hakte Jill nach.
»Nee – wir wollten nur sicher sein, daß ihr uns richtig vermißt.«
»Wir vermissen euch bestimmt nicht. Geht heim ins Bett und denkt nicht daran, daß wir uns hier oben zu Tode frieren.«
Nachdem die letzten Scherze gemacht waren, die Leitern aufgehört hatten zu vibrieren und die donnernden Gesundheitsschuhe auf sicherem Grund gelandet waren, schüttelte sich Jill Kissen und Decken zurecht und schloß die Augen.
Jill war alleinerziehende Mutter und hatte ihre Kinder bei einer Freundin untergebracht. Als Gegenleistung mußte sie am nächsten Tag die Kinder ihrer Freundin bei sich aufnehmen.
Mac kam wieder und richtete sich in einer Ecke ein. Er war schon den ganzen Tag hier gewesen und davor einige Nächte, und er gehörte zu den beneidenswerten Menschen, die überall schlafen konnten.
Polly fühlte sich sehr allein. Ihre Ängste waren so weit abgeflaut, daß sie an David denken konnte. Das Wissen, daß sie gerade jetzt mit ihm zusammensein könnte, verstärkte die Sehnsucht nach ihm nur noch. Sie zog sogar in Erwägung, sein Angebot anzunehmen und seine Frau zu werden, doch schon im nächsten Augenblick verwarf sie diesen abwegigen Gedanken und machte ihre
Weitere Kostenlose Bücher