Zum Teufel mit dem Jenseits! (German Edition)
Mirko einen Schritt dichter heran und fixierte die Augen des Mannes. Sie waren milchig und blutunterlaufen. Das trostlose Abbild einer gescheiterten Existenz - und wie der Blick in einen gealterten Spiegel.
»Wer sind Sie?«
»Das weißt du doch längst.« Abgewetztes Jackett drehte sich nun vollends um; jedoch ohne den unteren Teil seines Körpers in die Bewegung mit einzuschließen.
Seine Taille knirschte. Die Muskelstränge an seinem Hals traten wie Drahtseile hervor und am Ende standen Brust und Knie in einem hundertachtzig Grad weiten Winkel auseinander. Mirko musste spontan an den Film » Der Exorzist« denken.
»Das ist irgendein dämlicher Scherz, oder?« Er sah sich nach allen Seiten um, konnte aber keine Anzeichen eines versteckten Publikums entdecken. »Wieder so eine neue Show, was?«
»Bisschen paranoid, Jungchen, hm?«
»Wer zum Teufel sind Sie?« Seine Stimme überschlug sich fast und es kostete ihn all seine Kraft, den Kerl nicht beim Kragen zu packen und durchzuschütteln. »Das ist doch eine einfache Frage!«
»Und die Antwort erst ...« Sein ehemaliger Tischnachbar leckte sich die Lippen. »Sie besteht nämlich nur aus einem einzigen Wort.« Die gelben Zähne verformten sich zu einem Grinsen, das in seiner Breite eindeutig die Gesetze der Anatomie sprengte. »Ich bin du .«
Auf einer nicht greifbaren Ebene der Realität zog sich das Kasino zu einem engen Schlund zusammen, der Mirko zwischen unsichtbaren Wänden schier zerquetschte.
Sein Verstand sagte ihm, dass er es mit einem durchgeknallten Spinner zu tun hatte, der einfach Spaß daran hatte, seine Mitmenschen zu verscheißern. Das dünne Stimmchen irgendwo hinter der Logik aber flüsterte ihm von ganz anderen Dingen.
»Du bist so still.« Abgewetztes Jackett legte den Kopf schief. Sein Genick knackte und rastete in einer Haltung ein, die jeden Chiropraktiker zum Schreien gebracht hätte. »Schockiert? Zum Glück habe ich dir nichts von unserem ersten Schultag ohne Tüte erzählt - oder wie wir mit zwölf Sandra Scherer unter den Rock gucken durften.«
»Das ist Schwachsinn ...« Mirko schnappte nach Luft.
»Wieso? Dachtest du, es gäbe keine interessanteren Spiele auf der Welt als Automaten und Blackjack?«
»Spiele?«
»Oh ja. Das ganze Leben ist ein Tisch mit grünem Filz. Und in etwa zwanzig Jahren werden wir an einem besonders Faszinierenden Platz nehmen.« Seine rechte Schulter hängte sich aus und beschrieb in seinem Rücken einen ausladenden Kreis. »Du hast ja keine Ahnung ...«
»Sie lügen!«
»Nicht doch, Jungchen, bleib ruhig. Es wird dir gefallen. Das Adrenalin ... die Spannung ... die Herausforderung ...«, unter der Haut des Mannes schimmerte das Blut in den Adern fast schwarz. »Ich darf dir leider nur nicht verraten, ob wir am Ende gewinnen oder verlieren.«
»Nein!«
»Ich bin deine Zukunft. Es steht bereits fest.«
»Nein!«
»Was willst du dagegen tun?« Abgewetztes Jackett fuhr mit den Fingern durch seine Haare und ein Büschel angegrauter Strähnen löste sich. »Etwa das Spielen aufgeben?«
»Ja! Vielleicht!«, schrie Mirko heiser und stolperte rückwärts.
»Versuch es. Du wirst scheitern!« Ein unnatürlich blechernes Lachen dröhnte durch die Kasinohalle. »Du kannst nicht aufhören. Wir können nicht aufhören!«
»Sie sind irre! Sie wissen gar nichts!« In Mirkos Brust breitete sich ein Stechen aus - und der lautere Part seines Gehirns beschloss, die leise und dünne Stimme nun endgültig zu liquidieren. »Sie sind nicht ich!«
»Ja, rede dir das ein, wenn es hilft ... ein Fremder ... ein Irrer ... ein Verlierer ... nicht wie du ...« Das Lachen steigerte sich zu einem abgehackten Presslufthammer. »Du bist ein Sieger ...«
»Halten Sie den Mund!«
»Ein Gewinner ... du kannst aufhören, wann immer du willst ... du hast Stil ... du hast Würde ...«
»Schluss damit!« Mirko riss sich aus seiner Starre los, torkelte zum Ausgang und stemmte sich beinahe panisch gegen die Glastür.
»Genieß das Gefühl«, verfolgte ihn das schrille Gebrüll. »Wir sehen uns in zwanzig Jahren! Gewöhn dich nicht zu sehr an deinen neuen Job ... und übrigens: Der seltsame Schatten auf dem Röntgenbild ist ...«
Der Rest des Satzes erstarb, als sich die Tür zum Kasino endlich schloss und Mirko allein im Freien stand. Erleichtert atmete er die kalte Novemberluft ein. In seinem Inneren glühten die Nerven immer noch wie Brennstäbe.
Der Kerl hatte wirklich nicht mehr alle am Sender. Eventuell sollte er seinen
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