Zum weißen Elefanten
noch wie aus der guten alten Zeit, und so ruhig. »Dabei kommt einem wirklich der Gedanke, daß letzten Endes doch vieles für die Ehe spricht.«
Am nächsten Tag kam sie besorgt zu dem Schluß, daß wenig für die Ehe sprach und gar nichts für Mr. und Mrs. Noles. Es war ein Sonntag, und das Mittagsmahl befand sich soeben im Gange, als sich eine abrupte Unterbrechung ereignete. Mrs. Noles war mitten in einer lustigen kleinen Geschichte über die hoffnungslosen Kochversuche ihres Mannes während der ersten Ehejahre, als ein Wagen vorfuhr, der Unheil verkündend mit kreischenden Bremsen und quietschenden Reifen vorfuhr. Eine Minute später stürzte ein sehr wütender Mann, ohne vorher anzuklopfen, in das Zimmer.
Er war kein sehr sympathischer Mensch und bebte vor aufgestauter Wut. Katherine ging ihm zögernd entgegen, aber er schob sie zur Seite, ohne sie eines Blickes zu würdigen, und begab sich durch das Zimmer an den Tisch, wo das Musterehepaar saß.
»Jetzt habe ich dich endlich«, schrie er, »dich und deinen lieben Freund auch gleich. Ich schwöre dir, daß ich dir den Schädel einhaue«, und bei diesen Worten bekam der hübsche und korrekte Ronald eine schallende Ohrfeige.
Jane, die völlig entsetzt durch die Durchreiche guckte, rief Katherine dummerweise zu: »Halte ihn fest. Halte ihn sofort fest, Kit«, und im nächsten Augenblick ging es drunter und drüber. Zwei junge Männer packten den Eindringling und hielten ihn gewaltsam zurück.
»Seien Sie doch nicht wahnsinnig«, rief einer, als er sich wehrte. »Sie können hier nicht kämpfen.«
Das Ungewöhnliche war, daß Mr. Noles völlig einverstanden schien. Ganz offensichtlich hatte er nicht die geringste Lust, irgendwo zu kämpfen. Anstatt sich in seiner ganzen beachtlichen Höhe aufzurichten und den Eindringling — einen kleineren und weniger stabil gebauten Mann — an den Haaren herauszuziehen, war er blaß geworden, sah gehetzt um sich und suchte offensichtlich nach einer Fluchtmöglichkeit. Es herrschte lautlose Stille in dem Raum, alle betrachteten das Schauspiel mit offenem Mund.
»Lassen Sie mich los«, brüllte der Eindringling. »Nehmen Sie ihre Hände weg und lassen Sie mich mit ihm abrechnen. Der Schweinehund ist mit meiner Frau durchgebrannt. Und was ist mit dir?« sagte er, in dem er sich angriffslustig der sanften Mrs. Noles zuwandte. »Was bist du?« Die Antwort auf diese Frage gab er selbst, und zwar mit Worten, die nur selten in der besseren Gesellschaft gebraucht werden. »Und die Kinder? Fünf kleine Kinder«, verkündete er dramatisch vor versammelter Mannschaft, »und da brennt sie einfach mit dieser Niete hier durch.«
»Fünf Kinder«, stöhnte die unverheiratete Dame. »Fünf, und sie hat doch gesagt, wie sehr sie sich nach einem Kind sehnt.«
»Kann’s nicht mehr aushalten vor Sehnsucht«, sagte der kleine Mann, der, wie die Pensionsgäste später beschlossen, alles andere als ein feiner Herr war. »Hat sie vor einer Woche verlassen, und seitdem bin ich ständig hinter ihr her gewesen. Und jetzt habe ich sie, und sie wird mit mir nach Hause kommen. O nein, keine sensationelle Scheidung für dich, mein Kind, mit deinem Foto in allen Zeitungen. Du wirst in dein eigenes Heim zurückkehren, dich darum kümmern und deine Kinder versorgen.«
Jane hatte es aufgegeben, so zu tun, als wolle sie Teller durch die Durchreiche geben. Sie stand da und sah sich das erstaunliche Geschehen ganz unverhohlen an. Jetzt würde doch sicher der schlechte, aber gutaussehende Mr. Noles aufstehen und die von ihm gestohlene Frau verteidigen? Jetzt würde er bestimmt den betrogenen Ehemann hinauswerfen und ihm sagen, er solle doch die Scheidung einreichen? Weit gefehlt. Er war erschreckend gelb geworden und murmelte verwirrt vor sich hin: »Fünf Kinder... Wie schrecklich«, dann stieß er seinen Stuhl zurück, drehte sich auf dem Absatz um und floh.
Der Abgang der falschen Mrs. Noles war etwas dramatischer.
»Sie wurde praktisch an den Haaren herausgezerrt«, sagte einer der vergnügten Zuschauer später sehr anschaulich, aber nicht wahrheitsgetreu. Er hatte sie selbstverständlich fest am Arm gepackt, als er sie aus dem Raum führte, und ohne irgend jemanden anzusehen, ging sie folgsam mit. Das brachte Jane zum Handeln. Sie ließ ihre Pflichten im Stich und eilte nach draußen, mit dem dunklen Gefühl, daß sie das ein Leben lang tun würde. »Und was ist mit der Rechnung?« fragte sie ohne Umschweife. »Wird sie dieser andere gräßliche
Weitere Kostenlose Bücher