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Zum Wilden Einhorn

Titel: Zum Wilden Einhorn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Asprin
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über Haakons Geschäft nicht übetrieben und fand es eigentlich ganz gut, daß seine Vorräte zu Ende gingen. Seit zwei Tagen waren kaum noch Kunden gekommen, und die wenigen, die erschienen, ließen sich erst spät am Tag blicken. Einsam und gelangweilt sah sie zu, wie der duftende Rauch sich in der Düsternis des Raums hochkräuselte und immer neue Formen annahm.
    »Illyra?«
    Ein Mann schob den schweren Vorhang zur Seite. Illyra erkannte die Stimme nicht. Seine Umrisse verrieten nur, daß er so groß, aber nicht ganz so breit war wie Dubro.
    »Illyra? Man sagte mir, ich würde Illyra, die Seherin, hier finden.«
    Sie erstarrte. Es kam nicht selten vor, daß ein Kunde eine S'danzo-Prophezeiung übelnahm, obwohl sie stimmte, und deshalb gegen die Seherin vorgehen wollte. Erst vor kurzem hatte ein Mann in der rot-goldenen Livree des Palastes sie bedroht. Sie tastete unter das Tischtuch und holte einen winzigen Dolch aus seiner an ein Tischbein genagelten Scheide.
    »Was wollt Ihr?« Sie bemühte sich um eine feste Stimme und begrüßte den Mann wie einen zahlenden Kunden, nicht wie einen möglichen Schurken.
    »Mit Euch reden. Darf ich eintreten?« Er hielt inne, wartete auf eine Antwort und fuhr, als keine kam, fort: »Ihr erscheint mir unbegründet mißtrauisch, S'danzo.« Und dann, in weicherem Ton: »Hast du so viele Feinde hier, kleine Schwester?«
    Er betrat den Raum und ließ den Vorhang hinter sich zufallen. Illyras Dolch glitt lautlos aus ihrer Hand in die Falten ihrer weiten Röcke.
    »Walegrin!«
    »So schnell erinnerst du dich? Dann hast du wahrhaftig ihre Gabe geerbt?«
    »Ja, das habe ich, doch das hat nichts damit zu tun. Ich erfuhr heute morgen, daß du nach Freistatt zurückgekehrt bist.«
    »Vor drei Wochen. Hier hat sich kaum etwas verändert, außer zum Schlechten. Ich hatte gehofft, mein Geschäft zum Abschluß bringen zu können, ohne dich belästigen zu müssen. Doch leider bin ich auf Schwierigkeiten gestoßen, und ich bezweifle, daß irgendeine der anderen S'danzo mir helfen würde.«
    »Die S'danzo vergessen nie.«
    Walegrin setzte sich auf einen von Dubros Stühlen. Das Licht des Kerzenhalters fiel auf sein Gesicht. Es schien ihm nichts auszumachen. Wie Dubro gesagt hatte: In seinem Gesicht war nicht die geringste Spur des ehemaligen Kindes zu sehen. Er war groß und bleich, hager wie die kräftigen Männer, deren sehnige Körper ihre Muskelkraft nicht unbedingt verriet. Sein Haar war sonnengebleicht und erinnerte an brüchiges Stroh. Es war zu vier dicken Zöpfen geflochten und wurde mit einem Bronzereif aus der Stirn gehalten. Selbst für Freistatt bot er eine exotische, barbarische Figur.
    »Bist du zufrieden?« fragte er, als ihr Blick zu dem Samt auf dem Tisch vor ihr zurückkehrte.
    »Du bist ihm sehr ähnlich geworden«, antwortete sie bedächtig.
    »Das glaube ich nicht, 'Lyra. Mein Geschmack ist auf jeden Fall völlig anders als der unseres Vaters -also keine Angst. Ich bin hier, dich um Unterstützung zu bitten. Echte S'danzo-Hilfe, wie deine Mutter sie mir hätte geben können. Ich könnte mit Gold bezahlen, aber ich habe etwas, das dir bestimmt lieber ist.«
    Er griff unter seinen mit Bronzenieten verzierten Lederkilt, brachte einen gewichtigen Wildlederbeutel zum Vorschein und legte ihn ungeöffnet auf den Tisch. Illyra machte sich daran ihn zu öffnen, da beugte er sich vor und griff nach ihrer Hand.
    »Ich war es nicht, 'Lyra. Ich war in jener Nacht nicht da. Ich rannte genauso weg wie du.«
    Seine Stimme trug Illyra fünfzehn Jahre zurück und entfernte die Schleier des Zweifels aus ihrem Gedächtnis. »Ich war damals ein Kind, Walegrin, kaum vier Jahre alt. Wo hätte ich schon hinlaufen können?«
    Er gab ihre Hand frei und lehnte sich zurück. Illyra leerte den Beutel auf den Tisch. Sie erkannte nur einige der Halsketten und Armbänder wieder, doch genug, um zu wissen, daß dies hier der gesamte Schmuck ihrer Mutter war. Sie hob eine Kette aus blauen Glasperlen hoch, die auf kremfarbenen Seidenzwirn gereiht waren.
    »Sie wurden neu aufgefädelt«, sagte sie.
    Walegrin nickte. »Blut zersetzt Seide und stinkt zu den Göttern. Ich hatte keine Wahl. Alle anderen sind unverändert.«
    Illyra ließ die Kette auf den Haufen zurückfallen. Er hatte gewußt, daß sie dazu nicht nein sagen konnte. Der ganze Haufen war nicht ein Goldstück wert, doch selbst eine Truhe voll Gold hätte für sie nicht diesen Wert gehabt.
    »Also gut, was willst du von mir?«
    Er schob den Tand zur

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