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Zum Wilden Einhorn

Titel: Zum Wilden Einhorn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Asprin
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Besuchs nicht ein Wort gesprochen wurde. Aber von einem Garnisonsoffizier, selbst von Walegrin, nahm man an, daß er seinem üblichen Dienst nachging, und so achtete man nicht mehr auf ihn, als auf die anderen Gäste hier, mit derselben unauffälligen Wachsamkeit.
    Hakiem, der Geschichtenerzähler, saß auf der Bank, die Walegrin sich ausgesucht hatte. Der kleine Mann mit den schweren Lidern war schlauer, als die meisten vermuteten. Er hatte einen der wenigen Plätze in der Gaststube ausgewählt, von denen aus man einen guten Blick auf sämtliche Türen hatte, und da saß er nun mit einem kleinen Lederkrug Bier vor sich. Walegrin machte einen Schritt in seine Richtung, in der Absicht, ihn zu vertreiben, dann überlegte er es sich jedoch. Seinem Geschäft hier im Labyrinth würde unliebsame Aufmerksamkeit nur schaden.
    Von einem nicht ganz so günstigen Platz aus winkte er den Wirt zu sich. Keine anständige Schenkmaid wollte im Einhorn arbeiten, so mußte Buboe selbst bedienen. Er brachte einen schäumenden Krug und einen Augenblick später eine der Enlibar-Orangen, die er hinter dem Schanktisch in einer Schüssel liegen hatte. Walegrin löste die Schale mit dem Daumennagel. Der rote Saft rann über die weiße Innenhaut und bildete Muster, die denen auf der Tonscherbe nicht unähnlich waren.
    Ein einarmiger Bettler mit narbigem Gesicht und einem halbblinden Auge kam vorsichtig ins Einhorn und bemühte sich, den unwilligen Blick Buboes möglichst nicht auf sich zu lenken. Während der Zerlumpte von Tisch zu Tisch ging und sich von den Gästen Kupferstücke erbettelte, bemerkte Walegrin das eng gewickelte Tuch unter seinen Lumpen, und wußte, daß sein linker Arm so gut und ganz war wie der rechte, mit dem er die Münzen einsteckte. Die Narbe im Gesicht stammte von einer absichtlich selbstzugefügten Wunde, und die gelbe, eiterähnliche Flüssigkeit, die seine Wange hinunterrann, kam von Samen, die er sich unter die Lider geschoben hatte. Mit einem quälenden Husten meldete der Bettler sich an Walegrins Tisch. Ohne aufzublicken warf der Hauptmann dem Zerlumpten ein Silberstück zu. Er war selbst schon einer unter den Bettlern gewesen und hatte erlebt, wie aus ihrem vorgetäuschten Krüppeldasein so manches Mal schlimme Wirklichkeit geworden war.
    Buboe zerquetschte zwischen den schmutzigen Fingernägeln eine Laus, die er aus seinem buschigen Bart geangelt hatte, und als er von dieser Tätigkeit aufblickte, bemerkte er den Bettler und setzte ihn an die Luft. Dann füllte er ein paar Krüge nach, brachte sie den Gästen, und machte sich wieder auf Läusejagd.
    Erneut schwang die Tür auf, und ein Mann kam herein, der wie Walegrin geschäftlich ins Labyrinth gekommen war. Mit einem Finger zog der Hauptmann einen kleinen Kreis durch die Luft, woraufhin der Neuankömmling an seinen Tisch eilte.
    »Einer meiner Männer fand des Nachts den Tod, weil ich Euren Rat befolgte.« Walegrin blickte dem Mann beim Sprechen grimmig in die Augen.
    »Das hörte ich, und der enlibrische Töpfer ebenfalls. Ich bin sofort hierhergeeilt, um Euch zu versichern, daß ich nichts damit zu tun habe, denn ich wußte, daß Ihr mich verdächtigen würdet. Selbst wenn ich Euch betrügen wollte, Walegrin - glaubt mir, so etwas würde ich nie tun, nicht einmal in Gedanken -, hätte ich doch wohl kaum auch den Enlibarer getötet, oder?«
    Walegrin brummte etwas Unverständliches. Wer konnte schon sagen, was ein Freistätter alles tun würde, um sein Ziel zu erreichen? Aber der Spitzel sprach vermutlich die Wahrheit. Ein Lügner würde sich nicht wie er benehmen. Und wenn er die Wahrheit sprach, was anzunehmen war, war Runo nur gestorben, weil er gerade bei dem Töpfer gewesen war. Die Münzen bewiesen, daß das Motiv nicht Raub gewesen war. Wahrscheinlich hatte der Töpfer Feinde gehabt. Walegrin nahm sich vor, den Doppelmord in die Garnisonsliste einzutragen, damit der Fall untersucht würde, sobald die Dutzend Fälle vor ihm gelöst waren.
    »Nun, ich habe die gewünschte Auskunft nicht erhalten, infolgedessen bezahle ich auch nicht.« Walegrin nahm beim Sprechen den Krug von einer Hand in die andere und drehte ihn. Es sollte neugierigen Augen Gleichgültigkeit vortäuschen, damit sie nicht auf die Wichtigkeit ihres Gesprächs aufmerksam wurden.
    »Es gibt noch andere, die Euch zu einem Köder verhelfen können: Markmor, Enas Yorl, selbst Lythande, wenn die Bezahlung stimmt. Betrachtet es lediglich als Verzögerung, mein Freund, nicht als

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