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Zum Wilden Einhorn

Titel: Zum Wilden Einhorn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Asprin
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werden, den Alkohol auf natürliche Weise auszuscheiden. Aber Stulwig bat um die Erlaubnis - und erhielt sie -, zu seinem Treibhaus zu eilen. In Begleitung eines Höllenhundes raste er dorthin, wo er die helfende Mischung zusammenstellte: aus Wurzeln, Brennesseln und einer großen roten Blume. Mit kochendem Wasser überbrüht und schluckweise in Minutenabständen getrunken, vermochte sie innerhalb einer Stunde den Herzschlag herabzusetzen, zwar noch nicht auf den normalen Wert, aber doch so weit, um den Patienten zu beruhigen.
    Daraufhin hatte er dem jungen Prinzen versichert, er wisse von seinem Vater, daß Personen, die unter denselben Symptomen gelitten hatten und von ihm auf diese Weise behandelt worden waren, immer noch lebten, obwohl inzwischen mehr als zwanzig Jahre vergangen waren. Der Prinz war sehr erleichtert und versprach, in Zukunft nie mehr als einen Kelch Wein abends zu sich zu nehmen.
    Dann hatte Stulwig noch den Ruf des in Ungnade gefallenen Hofheilers gerettet, indem er ihm dankte, ihn mit hinzugezogen zu haben, und laut vor dem Prinzen hinzufügte, daß nur die Zusammenarbeit von vielen es ermöglichte, all den Krankheiten Herr zu werden, denen der Mensch ausgesetzt war. »Gewiß werde eines Tages ich um Eure Erfahrung und Hilfe bitten müssen«, hatte er geschlossen.
    Würde der jugendliche Statthalter sich an jene Nacht erinnern und - hoffentlich - der Meinung sein, daß Alten Stulwig als Heiler zu wichtig war, um ihn zu bestrafen?
    Ehe der Prinz jedoch ein Urteil fällte, stellte er eine weitere Frage: »Während Ihr in Gesellschaft dieser Person wart, die Cappen Varra zu sein schien, hat sie da ein Lied gesungen oder geträllert oder einen Reim aufgesagt?«
    Stulwig erkannte die Bedeutung dieser Frage sofort. Der Spielmann war für seine Fröhlichkeit und Freigebigkeit, was seine Lieder betraf, bekannt. »Nein, Eure Hoheit, nicht eine musikalische Note, noch einen poetischen Vers gab er von sich. Ganz im Gegenteil, der Mann erschien mir ungewöhnlich ernst, ja grimmig zu sein.«
    Ein paar Augenblicke später verkündete der jugendliche Statthalter sein Urteil. »Da der mächtige Vashanka höchstpersönlich in dieser Sache zu handeln scheint, wäre es anmaßend von uns, uns einzumischen.«
    Der junge Mann blickte auf den Hohenpriester. Fackelhalter zögerte kurz, dann nickte er, woraufhin der Prinz sich wieder Stulwig zuwandte.
    »Hochgeschätzter Heiler«, sagte er. »Ihr seid entlassen und dem Schicksal, welches auch immer die Zukunft für Euch bereithält, überantwortet. Mögen die Götter Euch gnädig sein und Eure Tugenden Eure Sünden überwiegen.«
    Also erinnert er sich! dachte Stulwig dankbar.
    Merkwürdigerweise wußte Stulwig, nachdem er den Palast verlassen hatte, sofort, wohin er nunmehr gehen mußte. So oft hatte man ihm ein kummer- oder schuldbeladenes Herz ausgeschüttet oder er hatte sich der Hoffnungslosigkeit eines abgewiesenen Freiers oder einer betrogenen Gattin gegenübergesehen. Keinem von ihnen hatten seine Mittel mehr als kurzen Schlaf oder Betäubung schenken können.
    So gab er sich nun, als er das Wilde Einhorn betrat, den gleichen bitteren Rat, den er für jene gehabt hatte, deren Gemüt krank war, wie sein Vater es genannt hatte. Die Worte, die er, nur von ihm selbst vernommen, murmelte, lauteten: »Was du brauchst, Alten, ist ein steifer Drink!«
    Das war das uralte Rezept für Kummergeplagte. Und da Alkohol ja aus Pflanzen hergestellt wurde, war es auch für einen Heiler nicht abwegig, Trost in ihm zu suchen.
    Der Geruch der Schenke stieg ihm bereits in die Nase, nur mußten seine Augen sich erst an die hier herrschende Düsternis gewöhnen. Viel mehr als vage Gestalten an Tischen und das Schimmern von glänzendem Holz sah er im Augenblick nicht, aber ihm genügte der Geruch brutzelnder, bratender und kochender Speisen, sich gleich ein wenig besser zu fühlen.
    Er kannte sich hier ohnehin gut genug aus, und so schritt er sicher durch das Dämmerlicht zum Schanktisch. Er öffnete bereits die Lippen, um seine Bestellung aufzugeben, als ihm - nun, da seine Augen sich etwas angepaßt hatten - bewußt wurde, wer da das Bier ausschenkte.
    »Eindaumen!« rief er überrascht und höchst erfreut. Er griff nach der Prankenhand des andern. »Mein Freund, wir hatten uns solche Sorgen um Euch gemacht! Ihr wart so lange fort ...«
    Er hielt verwirrt inne. Selbst für eine sehr weite Reise wäre es eine zu lange Zeit gewesen. Über ein Jahr war vergangen. Er beendete seinen

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