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Zungenkuesse mit Hyaenen

Zungenkuesse mit Hyaenen

Titel: Zungenkuesse mit Hyaenen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Else Buschheuer
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Körpergeruch wahr, Muskatnuss und Schwarztee.
    » [email protected] «, flüsterte sie mir ins Ohr.
    Müller schlug uns Verbleibenden, drei Männern und drei Versuchsweibchen, vor, zum »gemütlichen Teil des Abends« überzugehen. Ich spürte immer noch Kukis rissige Lippen auf meinen.
    »Du bist ja ganz verspannt«, sagte eine der Blondinen. »Mach dich mal locker.«
    Sie stellte ihr Weinglas ab, kniete sich neben mich aufs Sofa und knetete mit klammen Fingern an meinem Nacken herum. Ein Schauer jagte über mich. Ein ohnmächtiger Schauer körnigen Eises.
    »Und ewig lockert das Weib«, sagte Müller und war begeistert über sein Wortspiel.
    Auch Gürkchen riss vergnügt den Mund auf. Zu den Mettwurstresten hatte sich Petersilie gesellt. War das bereits der »gemütliche Teildes Abends«? Miss Marple brachte ein Tablett mit Hugos, dem Rizzer Drink der Saison. Der Todescocktail. Ich lehnte dankend ab. Die Mädchen schienen hocherfreut.
    »Sie können jetzt gehen«, sagte Müller zu seiner Haushälterin.
    Grußlos schlurfte Miss Marple davon.

TOILETTENSCHRANKINTERNA
    Birgit Niedel stammt aus einer Bestatterdynastie, die bis ins 17. Jahrhundert zurückreicht. Ihr Vater ist ein bekannter Thanatologe gewesen, der 1955 sogar – wegen eines akuten Frischeproblems – zur letzten Aufbahrung von Thomas Mann nach Zürich gerufen wurde. Nach seinem frühen Tod hat Birgit als einzige Tochter die Firma »Pietät-Niedel« mit achtzehn geerbt und binnen einem Jahr in den Konkurs getrieben. Sie ist einfach keine Geschäftsfrau, das haben die Eltern nicht gewusst. Der Fluch, das elterliche Erbe durchgebracht zu haben, lastet schwer auf Frau Niedels Rundrücken. Sie geht bei fremden Leuten putzen, nimmt sukzessive 50 Pfund zu, leert abendlich eine halbe Flasche Weinbrand und sieht mit dreißig bereits aus wie eine alte Frau.
    Dennoch hat sie zu dieser Zeit ein Liebesleben, das sich des Nachts in Ost-Rizzer Kneipen entspinnt. Frau Niedel begleitet jeden auch nur halbwegs interessierten Mann nach Hause, so lange, bis sie an einen Perversen gerät, der wünscht, dass sie ihm einen Knopf zwischen die Schulterblätter näht. Sie geht der thanatologischen Herausforderung zwar nach – sie näht den Knopf mit einer von ihm bereitgestellten gebogenen chirurgischen Nadel gestielt über den sechsten Rückenwirbel –, aber bricht danach jeglichen Kontakt zur Männerwelt ab. Das ist nichts für sie. Stattdessen entdeckt sie Gott und wird Mitglied der Neuapostolischen Gemeinde.
    Zu Müller kommt sie eher durch Zufall. Seine atemberaubend schöne, aber extrem schlampige ukrainische Putzfrau ist abgeschoben worden, eher zu seiner Erleichterung, und so kommt es, dass sich ein gewisser Herr Bendix telefonisch an sie wendet. Sie hat im Mittagskurier inseriert, er sagt, die Worte »tüchtig«, »zuverlässig« und »diskret« seien seinem Chef ins Auge gesprungen. Gleich am nächsten Tag stellt sich Frau Niedel dem etwa gleichaltrigen Müller vor.
    »Eine Schönheit sind Sie ja nicht«, sagt der, »aber das erspart uns viel Ärger.«
    Es ist nicht so, dass diese Worte sie gekränkt hätten, aber sie gehen ihr nach. Noch am selben Tag lässt sie die Hände vom Alkohol, schließt einen Knebelvertrag mit einem Fitness-Studio ab und kauft sich einen Lippenstift. Sie besucht das Fitness-Studio zwar kein einziges Mal und auch der Lippenstift bleibt originalverpackt, aber Weinbrand rührt sie nie wieder an.
    Frau Niedel steht nun seit fast zwanzig Jahren in Müllers Diensten. Sie erscheint jeden Morgen zwischen 7 und 8 – außer sonntags, da kommt sie erst nach dem Gottesdienst, wo sie für Müllers unsterbliche Seele betet – und geht zwischen 19 und 20 Uhr nach Hause, Partys ausgenommen, da muss sie länger bleiben. Nach und nach hat sie Müllers Inneneinrichtung nach ihrem Bilde gestaltet, sie liebt den britischen Landhausstil und kräftige Erdfarben, Ton in Ton. Rostrot sind Müllers Vorhänge, braun Müllers Bettwäsche, ocker Müllers Handtücher, nur Niedels Dekorationswut – sie neigt dazu, Blütenzweige, Glitzersteine und Teelichter über den Esstisch zu gießen – hat Müller rigoros den Riegel vorgeschoben. Frau Niedel kocht für Müller, geht ihm bei der Morgentoilette zur Hand, kleidet ihn an, wie man einen König ankleidet, sie wäscht seine seidenen Langsocken und rollt sie zu kleinen harten Bollen zusammen, sie füllt den Humidor auf, den Weintemperierschrank, die Kamine, die Pillendosen, in denen Müller seine Steroide, seine Sedativa,

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