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Zungenkuesse mit Hyaenen

Zungenkuesse mit Hyaenen

Titel: Zungenkuesse mit Hyaenen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Else Buschheuer
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Hier allerdings hält Pilz Distanz. Er selbst hat eine Ehefrau, die er seit Kindertagen kennt und schätzt, er hat drei schulpflichtige Kinder, denen er ein guter Vater ist. Er freut sich auf Brückentag, Feierabende, Urlaubsreisen. Er erzählt viel von zu Hause. Er ist seiner Frau treu. Er hört auf ihren Rat, vertraut auf ihr Urteil, erfüllt ihre Wünsche, isst ihre Pausenbrote. Aber müsste Pilz zwischen Ehefrau und Boss wählen, so würde er, und zwar ohne zu zögern, für Müller ins Auto springen wie ein Berufssoldat in den Krieg.
    In den seltenen Fällen, in denen Pilz krank ist und vertreten werden muss, leidet er, vornehmlich daran, dass Müller mit dem Ersatzfahrer ein Erlebnis haben könnte, das rechtmäßig ihm zusteht. Pilz sammelt die Erlebnisse, die er im Laufe der Jahre mit seinem Boss angehäuft hat, wie seltene Briefmarken. Sie vertiefen ihre Beziehung, sie binden beide fester aneinander. Manchmal, wenn Müller sagt: »Wie damals, Herr Pilz, als die uns das Auto geklaut haben«, schaut Pilz glücklich drein. Weißt-du-noch. Pilz ist pünktlich, korrekt, hundertprozentig loyal. Immer wenn er über seinen Boss spricht, dann spricht er so, als ob der direkt neben ihm stünde.
    Er kauft ein, bringt die Hemden zur Reinigung, löst Rezepte ein und besorgt Haschisch für die Orgien. Und er chauffiert die Damen. Er hat schon viele Damen geholt und weggebracht. Jedoch ist nie eine von ihnen zwischen sie getreten. Bis auf Felicitas Müller. Sie war die Einzige gewesen, die gefährlich nah an Müllers und seine Beziehung herangekommen war. Sie hatte es schlau angestellt, hatte mit Pilz einen fast freundschaftlichen Umgang gepflegt. Sie hatte sich die Namen seiner Kinder gemerkt, nie seinen Geburtstag vergessen undsich regelmäßig nach seiner Frau erkundigt. Er hatte sie trotzdem nicht gemocht oder gerade deshalb. Er war froh, wenn sie sich ein Taxi nahm. Das war nix für ihn. Sie rauchte, sie telefonierte, sie trank, sie weinte, sie stritt, und das im Auto vom Boss! Einmal hatte sie sogar alles vollgekotzt. Überhaupt, sie hatte ihn bedroht mit ihrer rotlockigen Anwesenheit, den rätselhaft giftgrünen Augen, dem Lachen, das wie Lava aus ihrem blutroten Mund sickerte. Er hatte hilflos hinterm Steuer gesessen, wenn sie Müller attackierte, er hatte sich gefragt, warum sein Boss, gegen den niemand das Wort zu erheben wagte, sich das gefallen ließ, ja, offenbar davon amüsiert war, wenn sie Dinge sagte wie: »Ich hasse dich, du ranziger, selbstherrlicher alter Bock!«
    Wenn Pilz sie abholte, hatte sich Frau Müller neben ihn gesetzt, vorn auf den Beifahrersitz, um mit ihm zu plaudern. Er fand das unanständig, zu nah, es gehörte sich nicht, aber er konnte ja schlecht ablehnen. Mehrfach hatte sie ihn gebeten, ihr Gepäck hinauf in die Wohnung zu tragen oder sogar mit ihr einkaufen zu fahren, und er hatte gehorcht, obwohl das wirklich riskant war, denn er war ja permanent auf Abruf, und er musste auch zu den ungewöhnlichsten Zeiten mit einem Anruf von Müller rechnen. Dessen Pläne änderten sich minütlich und machten jede eigene Planung unmöglich. Frau Pilz konnte ein Lied davon singen.
    Pilz hat alle Damen überlebt. Auch Felicitas Müller hat er überlebt, und zwar im wahrsten Sinne des Wortes. Auf seine gemeinsame Zeit mit Müller blickt er zurück, wie man auf eine lange Ehe zurückblickt, mit einer Mischung aus Sentimentalität und Stolz. Natürlich, manche Dinge haben ihren Glanz verloren. Müller ist immer zerstreut gewesen, aber nun wird er vergesslich. Er bringt die Damen und Termine durcheinander. Oft muss Pilz Zeuge peinlicher Dialoge werden, die er hätte verhindern können, wenn es in seiner Befugnis stünde.
    Zweimal hat in Pilzens Rücken eine Prügelei stattgefunden. Einmal hatten sich Müller und Müllerin auf der Hinterbank geschubst und geohrfeigt, wobei Müllers Lesebrille zu Bruch ging, bevor es zu einer überschwänglichen Versöhnung kam, bei der sie rittlings auf seinem Schoß saß. Ein anderes Mal, das war nicht lange her, waren Frau Müller und Frau Bobito aufeinander losgegangen. Sie hatten in der Sitzplatzfrage unterschiedliche Vorstellungen, die sie von ihrem gefühlten Stellenwert herleiteten. Es war eine Preisverleihung gewesen, nach welcher Müller, der mit der Müllerin hingefahren war, überraschend mit beiden Damen aufgetaucht war. Damals hatte Pilz Frau Bobito zum ersten Mal gesehen und war erschrocken. Er hatte noch nie vorher eine Riesin gesehen, erst recht keine, die

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