Zur freundlichen Erinnerung
die Fenster.
Lästig! Die Umstände hatten einen kaltgestellt. Alles entglitt wieder.—Jetzt verspielte Kotlehm. Erwar darauf gekommen, an jenem Abend im abgedämpften Hinterraum des "Paradies-Kasinos", daß man auch in den Bauch stoßen könnte. Adam Högl umspannte ihn unbemerkt mit seinen düsteren, hassenden Blicken.
"A—ah—ach!" stieß van Haarskerk mit boshafter Befriedigung heraus, als der Maler abermals einen Geldschein auf den Tisch warf.
"Prost!" rief Högl schadenfroh.
"Donner und Doria!" lachte der Maler etwas nervös und legte die Karte auf den Tisch. Abermals Hundert!
Adam Högl ließ eine saftige Zote vom Stapel. Yvonne lachte.
Wie um sich zu wehren, nahm Kotlehm das Glas und schrie feldwebelmäßig: "He! Kuli! Einschenken!" Adam Högl schoß das Blut zu Kopf. Aber er faßte sich schnell und hob die Karaffe: "Besser zielen!—Vorbeigeschissen!" Er zitterte ein wenig, als er eingoß und schüttete daneben.
"Hehe! Du! Kuli!" schrie Kotlehm und stieß ihn in den Bauch. Erquickt schnellte der Millionär auf, nahm ihm die Karaffe. Adam Högl zog verwirrt die Schultern hoch. Van Haarskerk lachte stoßweise und schüttete den Rest über seinen geduckten Schädel. Eiskalt rann der Sekt den Rücken herunter.
Adam Högl raffte seine letzen Kräfte zusammen. Ratlosigkeit, Wut und Verzweiflung standen auf einmal da. Wie von schwirrenden Peitschen umsummt brummte der zerrüttete Kopf.—
Er drohte zu fallen, drückte noch einmal mit ganzer Gewalt den Bauch heraus und grunzte endlich wieder. Wieder bellte das Gelächter.
Der Maler Kotlehm sprang auf und fuchtelte mit den Armen herum wie ein peitschenschwingender Tierbändiger.
Das Spiel war zerrissen. Die neue Sensation hatte die Langeweile im Nu ausgelöscht. Man umtanzte, umjohlte Adam Högl, der wie ein blinder Bär herumtappte. Gutgezielte Stöße sausten in dessen Bauch. Van Haarskerk kam mit einer gefüllten Karaffe, schüttete, goß, goß.
Adam Högls Schuhe pfiffen.
"Schurken! Sadistische Hunde!" schrie Yvonne machtlos in den betäubenden Lärm. Raming hob schläfrig den Oberkörper und ließ sich wieder zurückfallen. Das wüste Gebrüll zerspaltete die verrauchten Bäume. Zwischendurch gluckste wie das Röcheln eines Verendenden Högls Bauchstimme.—Heute noch! Noch einmal! Dann war vielleicht die Rettung da. Man war geborgen. Eine Nacht Wasser über den Kopf—und keine Misere mehr.—
Die Hose platzte, als er sich bückte. Kotlehm riß das Hemd heraus.
"Hoij! Hoij!" zischte es von allen Seiten. Man nahm Högl in die Mitte und stampfte durch den Wintergarten ins Freie. Schwerfällig, plumpsig bewegte sich der Troß an den ersten Gemüsebeeten vorbei. Der Millionär schob hinten, Kotlehm zog und zerrte an den Armen Högls. Yvonne kreischte unaufhörlich.
"A—ahach Mensch, laß mich doch schnaufen!" stöhnte Högl und riß seinen Mund weit auf. Dicker Schweiß rann ihm herunter.
"Hoij! Hoij!" schrie es wieder. Zog, zerrte. Adam Högl prustete, hauchte. Der Maler Kotlehm riß einen Rettich aus dem Gemüsebeet und stopfte ihn mit aller Gewalt in Högls Mund.
Die Zähne krachten. Der Schlund kämpfte gegen das Ersticken. Blau lief der Kopf an. Adam Högl stemmte sich würgend, spuckte, erhob beide Arme furchtbar, stieß in die leere Luft. Es war auf einmal frei um ihn. Wie Kettenlast fiel etwas ab. Der wachgewordene Körper straffte sich, als renne er stahlhart gegen eine Wand und stieße sie durch.
So leicht atmete es sich.
Eine große Stille stand unfaßbar weiß ringsherum.—
Nach langer Zeit, als er die Augen öffnete, saugte die Kälte der feuchten Erde an allen seinen Gliedern. Er lag langgestreckt in einem Gemüsebeet. Schmutz und Blut klebten auf seinen zerschundenen Wangen. Er schloß den Mund, schluckte. Die Gurgel würgte. Ein wüster Ekel stieg vom Magen auf.—
Wie eine gemeine, grüne Qualle hockte das Haus in den zertrampelten Beeten. Das zärtliche Rot des frühen Tages beleckte die Fenster, die ausdruckslos vor sich hinglotzten. Es roch nach Verwesung.—
Taumelnd sprang er auf und rannte entsetzt aus dem Garten. Schwankend wie ein Wrack trieb er über die Wiesen, der Stadt zu. Eine gräßliche Schwäche fieberte in ihm. Angstvoll schleuderte er zuletzt seine Füße nach vorne, lief, lief, was er konnte.
Erst als er die ersten Häuser erreicht hatte, hielt er inne und wischte sich aufatmend Kot und Blut aus dem Gesicht.
Ruhig und nüchtern griff die Straße aus. Arbeiter gingen vorüber und beachteten ihn kaum.
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