Zur Liebe verführt: Roman (German Edition)
Augen aufriss. »Aufstehen!«, zischte sie und rollte zur Dielentür. »Du musst hier fort!«
»Anna!«, rief Damon wieder. Schon hörte sie seinen Fuß auf der untersten Stufe. »Wo bist du? Es ist fast Mittag.«
»Bleib unten!«, antwortete sie und öffnete die Tür einen Spaltbreit. »Ich ziehe mich an! Gleich bin ich unten!«
»Was treibst du am helllichten Tag im Bett?« Er hörte sich an, als wenn er die Hälfte der Stufen bereits hinter sich hätte. »Bist du krank?«
»Ich habe draußen Dreckarbeit gemacht. Jetzt ziehe ich
mich um«, erklärte sie durch den Türspalt und sah rasch zu Ethan, der auf der anderen Seite des Bettes stehend wie ein Idiot lächelte, als er etwas in seine Hosentasche stopfte – während er sich doch selbst in die Hose hätte pferchen sollen! Sie schloss die Tür und sperrte sie leise zu. Mit einem warnenden Blick ging sie zur Kommode. »Rasch«, forderte sie ihn im Flüsterton auf und zog Unterwäsche aus der oberen Schublade. »Dass Damon uns hier antrifft, ist das Allerletzte, was wir brauchen.«
Er richtete sich auf, während er die Hose anzog. »Wie ernst nimmt der liebe Bruder Damon seine Beschützerrolle? Besser gesagt, wie groß ist er?« Er kratzte sich mit trägem Gähnen die Brust. »Weil ich wohl nicht genug Kraft habe, um dich zu verteidigen, geschweige denn mich.«
»Er ist eins fünfundsiebzig und ein waschechter frankokanadischer Holzfäller, was bedeutet, dass er kompakt und gefährlich ist«, meinte sie und zog dabei ihr Hemdchen über den Kopf. Sie machte eine andere Schublade auf und entnahm ihr einen Pullover und Jeans. »Dein halbherziges Angebot ist zwar reizend, doch brauche ich keinen Schutz vor meinem Bruder. Anders als du würde Damon sich eher den Arm abhacken, als dass er mir auch nur einen Kratzer zufügen würde.«
Während sie sich den Pullover überzog, wurde Anna plötzlich herumgedreht, und als sie den Kopf wieder frei hatte, sah sie sich einer nichts Gutes verheißenden Miene gegenüber.
»Ich wusste nicht, dass du eine Frau bist, als ich dich vermöbelte.«
»Und letzte Nacht, als du mich angegriffen hast. Hast du es da gewusst?«
Seine Miene wurde ernst. »Wann?«, fragte er ungehalten. »Bevor wir ins Bett gingen oder nachher?«
Sie hob die Hand und tätschelte seine noch immer nackte Brust – die sie vergangene Nacht gut kennengelernt hatte – und lächelte. »Damon wird mit einer Flinte auf dich anlegen, und wenn er abdrückt, wird er nicht in die Luft schießen.«
»Segee, du bist neunundzwanzig.«
»Und das einzige Mädchen in der Familie, noch dazu das Nesthäkchen.« Sie schlüpfte in ihre Jeans. »Es wird dein Begräbnis. An deiner Stelle würde ich aus dem Fenster klettern, zu meinem Motorschlitten laufen und schleunigst abhauen.«
»Ich klettere nicht aus dem Fenster«, fuhr er sie an und ging um das Bett herum und hob sein Hemd auf.
»Anna!«, brüllte Damon aus der Küche. »Wo ist das Vogelfutter? Diese Meisen machen mich verrückt.«
Nachdem Anna ihre Hose zugeknöpft hatte und einen Blick in den Spiegel warf, um sich zu vergewissern, dass sie sich zeigen konnte, erstarrte sie vor Entsetzen. »O Gott, ich sehe ja aus wie eine Furie.« Sie ging zur Tür, öffnete und rief hinunter: »In der Dose auf der Theke! Und lass den Hund hinaus!«
Sie schloss die Tür und ging zurück an die Kommode und glättete ihr zerrauftes Haar mit den Fingern. »Verschwinde endlich«, zischte sie und funkelte Ethan im Spiegel an.
»Meine Stiefel stehen unten.«
Sie stützte sich auf die Kommode, schloss die Augen und seufzte. »Genau deswegen bin ich von zu Hause weggelaufen.«
Starke Finger legten sich um ihre Schultern. »Anna, lass es gut sein«, sagte er leise und beruhigend. »Dass wir zusammen schlafen, geht nur uns etwas an.«
Sie öffnete die Augen und sah Ethan hinter sich im Spiegel. Die Erinnerung daran, dass sie letzte Nacht genauso dagestanden hatten – und daran, was er mit ihr gemacht und welche Empfindungen er in ihr geweckt hatte –, ließ sie erröten.
Er schob seine Hände höher und umfasste ihren Nacken, wobei er seinen Mund ihrem Ohr näherte. »Wenn du dich dann besser fühlst, werde ich mich von ihm zusammenschlagen lassen.«
Es zählte nicht mehr, dass sie in der Nacht den Körper des anderen Zoll für Zoll erforscht hatten; seine Hand an ihrem Puls und sein Mund, der über ihr Haar glitt, ließen sie vor Verlangen erbeben.
Sie lehnte sich an ihn. »Du hast recht. Ich bin ein erwachsenes
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