Zur Liebe verurteilt
gelernt, und das würde er sicherlich gern weitergeben.
Auf einmal wurde es ihm wichtig, dieser Frau zu zeigen, daß er mehr als ein gewöhnlicher Revolverschwinger war. Oder ein Held. Wenn jemand anders ihn einen Helden nannte, würde ihm das schmeicheln. Doch bei Miß Latham hörte es sich so an, als wäre ein Held ein Mensch ohne Verstand, der nie an die Folgen seiner Handlungen dachte.
»Wie soll ich denn meinen Lebensunterhalt verdienen, solange mein Arm nicht heil ist?«
Erschrocken sagte sie: »Ich habe keine Ahnung. Brauchen Sie Geld? Schließlich ist es ja meine Schuld, daß Sie ... nun, es ist gewiß nicht allein meine Schuld, aber ich fühle mich für Ihre Verwundung mitverantwortlich. Ich kann Ihnen einen Bankscheck geben.«
»Ich will kein Almosen. Ich brauche einen Job.«
Sie lächelte dünn. Mehr bringt sie wohl nicht fertig, dachte er. »Ich werde Sie bestimmt engagieren, wenn ich das nächstemal jemand ermordet sehen möchte.«
Diese Frau ging ihm ständig unter die Haut. So etwas hatte er noch nie erlebt. »Ich begehe keine Morde«, gab er erbost zurück.
Ihr Mund wurde zu einem dünnen Strich. »Gewiß nicht, solange Sie Ihren Arm nicht gebrauchen können. Mr. Hunter, vor einigen Tagen, bevor das alles geschehen ist, habe ich mit Ihnen über Ihre Zukunft gesprochen. Das hat Sie damals nicht berührt. Dabei habe ich Sie sogar gewarnt, daß Ihnen so etwas einmal zustoßen könne.«
Es kam ihm vor, als wiese seine Mutter ihn zurecht. Was hatte sie ihm immer vorgehalten? Ich habe dir doch gesagt, daß es dazu kommen wird. Aber nein, du wolltest ja nicht auf mich hören. Du mußtest unbedingt deinen Kopf durchsetzen. Du hörst ja nie auf einen guten Rat.
Cole fuhr sich mit der Hand über die Augen. Wenn er je einen Mord begehen sollte, dann würde diese Frau das Opfer sein. Aber vorher wollte er ihr noch beweisen, daß er doch etwas wert war. »Miß Latham, Sie haben mir einen Job angeboten, und ich nehme das Angebot an.«
Jetzt setzte sie sich hin. »Nein«, sagte sie flüsternd, »das ist ein Irrtum.«
Er fühlte neue Kräfte in sich aufsteigen. »Miß Latham, sagen Sie mir, was tun Sie so den ganzen Tag?«
»Wie bitte?«
»Womit Sie sich die Zeit vertreiben, möchte ich wissen. Was tun Sie, wenn Sie zu Haus in Latham sind? Als Dame im Nähzirkel kann ich Sie mir nicht vorstellen. Sie geben doch sicherlich auch keine Gartenpartys und Teegesellschaften. Was tun Sie in dieser Stadt, die Ihr Vater Ihnen hinterlassen hat?«
Überrascht erwiderte sie: »Offenbar haben Sie auch Erkundigungen eingezogen.«
Das war ja wohl ein Kompliment. Heiliger Himmel, ein Kompliment von diesem mageren kleinen Ding, und schon wurde ihm warm ums Herz! Er nahm sich zusammen und wartete auf ihre Antwort.
»Ich bin Haus- und Grundbesitzerin«, sagte sie, hielt inne, und ihr Gesicht spiegelte gemischte Gefühle wider. Also war sie doch keine vollkommene Pokerspielerin. »Mein Vater hat mir die Stadt Latham hinterlassen, weil Rowena ja reich geheiratet hat. Er hielt es für ausgeschlossen, daß ich je einen Mann kriegen würde, sei er nun reich oder nicht. Deshalb wollte er meinen Unterhalt sicherstellen. Zugegeben, Latham ist nur eine Kleinstadt. Ohne die Eisenbahn würde es sie gar nicht geben. Aber sämtliche Häuser und Geschäfte gehören mir.«
»Sie treiben also Mieten ein?« Ihm war bewußt, daß das eine kleinliche Revanche von ihm war Sie hatte seine Tätigkeit als wertlos bezeichnet, nun stellte er ihre als läppisch dar.
»Und ich bin Dachdecker, ich höre mir an, warum die Leute ihre Miete nicht bezahlen können, und mache so ungefähr alles in der Stadt, was nötig ist. Wenn ich Ihnen einen Rat geben darf, Mr. Hunter: Sollte Ihnen jemand eine Stadt schenken wollen, nehmen Sie sie nicht an!«
»Ich werde daran denken«, sagte er und lachte. »Diesen Rat hat mir noch keiner gegeben.« Er sah, wie sie mit im Schoß gefalteten Händen dasaß. »Mir scheint, daß Sie einen Mann brauchen, der mehr tut, als Ihnen nur die Schwester vom Leib zu schaffen.«
»Natürlich, das weiß ich«, sagte sie und warf ihm einen Blick zu, der deutlich besagte: sehr intelligent sind Sie aber nicht. »Ich brauche dringend einen Ehemann. Er müßte an meiner Stelle die Stadt Latham übernehmen. Mein Vater war ein Mann, der keine Faulpelze duldete. Er war ...« Sie suchte nach dem treffenden Wort.
»Ein Tyrann?«
»Genau«, bestätigte sie und sah ihn mit funkelnden Augen an. »Er war ein schrecklicher Tyrann. Ich habe
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