Zurück ans Meer
Sicht auf Kiefernwälder
und Sümpfe auslöscht, die über diese Meereslandschaft verstreut sind. Nichts lenkt mich noch ab, daher schweifen meine Gedanken
in die Vergangenheit, um herauszufinden, ob ich den genauen Moment festlegen kann, an dem mein Leben so sehr aus der Bahn
geriet.
Meine neue Berufslaufbahn ist nicht der einzige Auslöser für all die Schwierigkeiten, obwohl ich ehrlich zugeben muss, dass
mich der Erfolg geblendet hat. Sobald ich den Rausch empfand, den eine gewisse Berühmtheit auslöst, wurde ich süchtig nach
all den damit verbundenen »Juwelen« – Geld,Anerkennung, Einladungen zu Oprah Winfreys Talkshow, eine Berufung zu haben. Doch auch die wachsende Familie machte sich bemerkbar:
Schwiegermutter zu werden, Großmutter, Pflegerin meiner alternden Mutter und – am ungewohntesten – die Mutter verheirateter
Söhne, die beide sehr viel mit ihrem eigenen Leben zu tun haben, weshalb es oft fast unmöglich erscheint, ihnen nahe zu bleiben.
Der große Familienkreis und meine Verwicklung darin machten sich im letzten Sommer am deutlichsten bemerkbar, als ich ständig
den Tisch für siebzehn Personen decken musste statt für sieben – einschließlich Hochstühlen und Rollstühlen an fast jedem
Abend. Wo es einst nur meinen Mann und die Jungs gegeben hatte, gab es jetzt Ehefrauen und Kinder, diverse Onkel, Tanten und
sonstige Verwandte, meine Mutter und dazu gerne noch ein oder zwei Zufallsgäste. Und wer hatte das alles zu organisieren?
Nicht diejenigen, die alt und müde sind, und nicht die jungen Mütter mit Babys auf dem Arm. Ich! So wundervoll es auch ist,
dass so viel durch das Leben einer Frau fließt, kann sich doch niemand von uns dagegen wehren, sich irgendwann ausgebrannt
zu fühlen. Ich lache darüber, wie naiv ich damals war, als ich glaubte, wegzulaufen würde mein Chaos ordnen. In der Abgeschiedenheit
war alles so leicht gewesen. Aber zurückzukehren war viel schwieriger, als ich es mir jemals vorgestellt hatte, nicht zuletzt
deswegen, weil es mir offenbar nicht gelingen will, die Stränge meines Lebens auseinander zu halten.
Mir fällt ein Strandspaziergang ein, bei dem ich neulich eine angespülte Hummerreuse fand, verheddert in Angelleinen, aber
noch mit ihrer Boje verbunden. Mir schoss durch den Kopf, wie sehr ich dieser Reuse gleiche – ohne Fang, verheddert und kaputt.
Ich habe vielen Auftrieb gegeben, doch die Anstrengung hat mich verbogen und verformt. Und ohne es zu wissen, bin ich zu dem
geworden, was ich niemals hatte werden wollen – eine unsichtbare Stütze, die Person, die sichbemüht, alle anderen über Wasser zu halten, ohne selbst jemals Auftrieb zu bekommen. Wir Frauen sind niemals fähig, uns dem
Familienleben vollkommen zu entziehen, und die meisten würden das auch nicht wollen. Trotzdem sollte man doch meinen, dass
unsere Tage weniger gehetzt sind, nachdem alle das Nest verlassen haben. Doch auf mich trifft das gewiss nicht zu.
Meist ist mein Arbeitsleben das Einzige, was ich einigermaßen unter Kontrolle habe und wo ich Frieden empfinde. Das eigentliche
Problem liegt jedoch darin, dass ich nicht aufhören kann, mich beruflich übertreffen zu wollen. Keine Errungenschaft oder
Anerkennung reicht jemals aus, denn innerlich bin ich immer noch die unbekannte Autorin mit einem Manuskript, für das ich
siebenundzwanzig Ablehnungen bekam. Anscheinend bin ich die Letzte, die mein Glück akzeptieren oder glauben kann, es auch
in Zukunft zu haben. Also arbeite ich wie eine Wilde, versuche jedes Projekt besser zu machen als das vorherige. Am Ende bleibe
ich nur mit mir selbst, meiner Arbeit und der Melancholie zurück, die mit solch einer Zielstrebigkeit verbunden ist, während
ich mich in der Öffentlichkeit als die ruhige und friedvolle, neu erfundene Frau darstelle, die im Augenblick verharrt und
klare Intentionen hat. Doch wenn ich frei habe, ist mein Leben im Grunde genommen ein einziges Chaos, vor allem wegen der
Anstrengung, sowohl die Fassade aufrechtzuerhalten als auch meine Fähigkeit, weiterzumachen. Meine Gefühlshaut ist mit der
Zeit dicker geworden, genau wie meine Arterien, wie es scheint. Ich bin zu lange mit Vollgas gefahren, und jetzt hat mein
Körper mir schließlich die Rechnung präsentiert.
Mein erstes Buch habe ich drei Jahre lang Agenten und Verlegern angeboten. Enttäuscht, aber unverdrossen bin ich nach jeder
Ablehnung immer wieder an den Schreibtisch zurückgekehrt, habe die
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